Umweltschutzorganisationen über die Ursachen der Jahrhundertflut: Neben dem Klimawandel seien vor allem massive Verbauungen und der Verlust an Überschwemmungsräumen schuld an den verheerenden Folgen. Diese Pufferzonen müssten den Flüssen zurückgegeben werden.
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Hainburg/Wien - "Wir haben Kanäle aus unseren freien Flüssen gemacht. Bodenerosion und der Rückgang an Waldflächen tragen das ihrige dazu bei, dass die Situation jedes Jahr schlimmer wird", kritisierte am Donnerstag Günther Lutschinger, Österreich-Geschäftsführer des World Wide Fund vor Nature (WWF). Wie auch die Umweltschutzorganisation Global 2000 begann der WWF mit der Ergründung der Ursachen für die Jahrhundertflut. "Einerseits führt die Klimaveränderung zu einer Zunahme extremer Wetterereignisse. Andrerseits spielt das Flussmanagement der letzten Jahrzehnte - mit massiven Verbauungen und einem Verlust an Überschwemmungsräumen - eine entscheidende Rolle bei den derzeitigen Katastrophen", erklärte Claude Martin, Generalsekretär des WWF International. "Die Wichtigkeit von Überschwemmungsräumen und die Notwendigkeit eines nachhaltigen Flussmanagements muss jetzt endlich erkannt werden." Lutschinger forderte neuerlich die "Rückgabe" von 84.000 Hektar Überschwemmungsraum an die Flüsse in ganz Österreich. Zeichen des Wandels Die Umweltschutzorganisation Global 2000 forderte von der Bundesregierung, die Wetterkatastrophen als Anzeichen des Klimawandels ernst zu nehmen und längst fällige Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen: "Klimaschutz darf nach der akuten Katastrophenhilfe kein leeres Versprechen bleiben", meinte Global 2000-Klimaexperte Karl Schellmann. "Österreich muss seinen Kioto-Verpflichtungen nachkommen." Statt der vereinbarten Reduktion der Treibhausgase steigen die Emissionen in Österreich an. "Besonders beschämend ist für das oft zitierte Umweltmusterland Österreich die Tatsache, dass wir uns bei der Erreichung der Kiotoziele nur auf Platz elf der 15 EU-Länder befinden", erklärte der Experte. Global 2000 forderte, dass die im Juli im Ministerrat beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen budgetiert und rasch umgesetzt werden. "Die von Umweltminister Wilhelm Molterer (VP) vorgestellte ,Klimastrategie' ist nur eine Mindestmaßnahme angesichts der steigenden Treibhausgasemissionen", so Schellmann. "Und selbst diese droht an der fehlenden Finanzierung zu scheitern." Für eine Region allerdings sind die Überflutungen keine Katastrophe, sondern vielmehr überlebenswichtig: für die Auwälder. "Vor allem für die Altarme sind Hochwässer eine gute Sache, weil sie so durchgespült und gereinigt und auch die Zuflüsse erweitert werden", berichtete Erika Hofer, Pressesprecherin vom Nationalpark Donauauen. Kreislauf des Lebens Was die Tierwelt betrifft, haben etwa Wildschweine und Hirsche mit unfreiwilligem Schwimmtraining keine Probleme. Rehen, Füchsen und Hasen geht es weit weniger gut. "Aber das ist der Kreislauf des Lebens", so Hofer. Mitarbeiter des Nationalparks bemühen sich allerdings, Schaulustige davon abzuhalten, die Dämme zu erklimmen oder Abenteuer-touren mit dem Schlauchboot zu unternehmen. Ersteres treibt Wild, das sich vor den Fluten auf die Dämme rettete, wieder ins Wasser, wo es an Erschöpfung verendet. Zweiteres ist laut Hofer "absolut lebensgefährlich, da es selbst in Altarmen enorme Strömungen gibt". Fließt das Hochwasser ab, wird es für eine Spezies besonders paradiesisch und ist der Tisch gedeckt: Für die in Marchegg baumbrütenden Weißstörche. (APA, frei, DER STANDARD, Print, 16.08.2002)