In Graz hat die bildende Kunst im Spannungsfeld "Steirischer Herbst" den Anspruch der Moderne eingefordert. Doch wo immer man die Avantgarde fordert, wird die Moderne mit der Zeit zur konservativen Kunst. Die Galerie Eugen Lendl hat aus dem langjährigen bürgerlichen Galerieraum einen Schritt zur gesellschaftlichen Etablierung getan. Man residiert jetzt (auch) im Palais Wildenstein.
Begonnen hat das Engagement des damaligen Architekturstudenten Eugen Lendl schon 1969 mit der Galerie im Schillerhof, die sich im Hinterzimmer des bekannten Café Schillerhof befand, wo er bis 1974 etwa 55 Ausstellungen organisierte. Bis zur Eröffnung seiner Galerie in der Gleisdorfer Gasse - und parallel zu seiner Tätigkeit als Architekt - war Lendl als freischaffender Ausstellungsmacher weiterhin im Kunstumfeld aktiv.
Mit der Kündigung der Räumlichkeiten des Architekturbüros begann im Jahr 1986 die Suche nach einer neuen Bleibe - in der Gleisdorfer Gasse wurde sie gefunden, sie diente der Galerie 16 Jahre lang als Hauptwohnsitz. Auch für Eugen Lendl bedeutete dieser Ortswechsel einen markanten Lebenseinschnitt, er wurde zum professionellen Kunstvermittler und auch zum Kunsthändler.
Kultur und Kunst lagen in der Familie, Eugen Lendls Vater war in der Steiermark ein wichtiger Volksbildner, zwei seiner Brüder sind ebenfalls Kunsthändler (in Graz und Salzburg). Den ersten und größten inhaltlichen Einfluss übte auf Eugen Lendl die "Wiener Schule" aus, später beschäftigte er sich mit der neuen Malerei der 80er- und 90er-Jahre (u. a. Brandl, Damisch, Danner, Scheibl, Zitko, Gasteiger, Vopava) und der Skulptur (u. a. West, Kienzer, Wurm.)
Heute steht die Galerie in erster Linie in enger Beziehung zu Werner Reiterer, Michael Kienzer, Manfred Erjautz, Rudi Molacek und Markus Wilfling. Neben Malerei und Skulptur ist Eugen Lendl natürlich auch mit den neuen Medien als Teil des Kunstmarktes und der -szene konfrontiert: "Mir ist bewusst, dass Video- oder Netzkunst mittlerweile zum festen Bestandteil der Arbeit vieler Künstler zählt und daher auch in der Galerie ihren Präsentationsrahmen findet, der Sammler aber will meist reale ,Beute' machen und ein ,Bild' mit nach Hause nehmen."
Trotz aller neuen Entwicklungen in der Kunst könne man, so der Galerist, das klassische Tafelbild nach wie vor als das Zentrum des Kunstschaffens und Kunstmarktes bezeichnen. Die Intention der heutigen Sammler sei im Großen und Ganzen die gleiche wie früher geblieben. Lendl: "Eine Galerie ist ganz einfach Export-Import-Handel".
Genauso wie in der internationalen Welt des Handels laufe auch die Zusammenarbeit in einem "offenen Netzwerk der Galerien", dadurch bleibt das Programm spannend. "Es wäre mir zu wenig Anspruch, ,nur' österreichische Künstler zu präsentieren. Ebenso wichtig ist die Auseinandersetzung mit ausländischen Künstlern." Lendl arbeitet mit Galerien in Belgien, den Niederlanden und Deutschland zusammen, die ihm KünstlerInnen wie Sinje Dillenkofer, Zilla Leutenegger oder Mirjam Kuitenbrouwer in die Galerie brachten.
Dabei stößt Eugen Lendl oft auf ähnliche Galerie-Biografien. Künstler, die ihm besonders aufgefallen sind, finden sich auch in deren Galerieprogramm wieder. Acht bis zehn Ausstellungen im Jahr stehen auf dem Programm der neuen Dependance im Palais Wildenstein, dazu nach Bedarf - und Lust - einige in der ehemaligen Galerie.
Als Galerist und Unternehmer ist er zwar von kulturpolitischen (Galerienförderung) und landespolitischen (Europäische Kulturhauptstadt Graz 2003) Entscheidungen auch betroffen, letztlich bleibt aber die kontinuierliche Arbeit. "Was Graz 2003 verändern wird, wissen wir nicht. Ob es meine Galerie überhaupt beeinflussen wird, muss man erst sehen", bleibt Eugen Lendl mit seinen Aussagen zurückhaltend. Es gibt Gespräche mit der Leitung von Graz 2003, man freut sich auch über die Unterstützung beim Marketing (im nächsten Jahr wird es etwa einen neuen, kompletten Galerienführer für Graz geben).
Die Zukunft zeigt sich als spannende künstlerische, aber auch finanzielle Herausforderung: Graz liege, so der u. a. auf der "kunst wien" präsente Galerist letztlich doch abseits der großen Sammler und Einkäufer von internationalen Museen, die höchstens für einige Stunden nach Wien kommen. "Graz wird in dieser Beziehung leider als Provinz angesehen, bevor man hier kauft, fährt ein Wiener Sammler eher noch nach London." Seine Käuferschicht setzt sich deshalb auch großteils aus dem Grazer Raum zusammen.