STANDARD: Bekommt die ÖVP jetzt wegen der Steuerreform innerparteilich Ärger? Die Wirtschaft murrt über die Verschiebung, und der ÖAAB wünscht sich eine Entlastung der Mittelschicht. Khol: Not kennt kein Gebot. Wir haben Schäden von so großem Ausmaß, dass alles bisher Gesagte einfach nicht mehr gilt. Was die Steuerreform betrifft: Wir haben das Geld nicht. Und bei den Lohnnebenkosten haben wir es derzeit auch nicht. Man darf aber nicht übersehen, dass die Wirtschaft durch das große Hilfsprogramm der Regierung einen gewaltigen Anstoß bekommt. STANDARD: Erhofft man sich daraus eine Konjunkturbelebung, wodurch sich dann vielleicht doch noch eine kleine Steuerreform vor der Wahl ausgeht? Khol: Nein, solche Überlegungen stehen im Hintergrund. STANDARD: Was sagen Sie dazu, dass Haider jetzt trotzdem eine Steuerreform einfordert? Khol: Ich gehe davon aus, dass ein Parteivorstandsbeschluss der FPÖ ebenso wirkungsvoll ist, wie es einer der ÖVP wäre. STANDARD: Kritiker meinen, die Flut sei willkommener Anlass gewesen, die Steuerreform, die sich ohnehin nicht mehr ausgegangen wäre, abzusagen. Khol: Die erste Stufe der Steuerreform wäre sich ausgegangen. Das halbe Volumen wäre durch das Wirtschaftswachstum finanziert worden und die andere Hälfte durch eine massive Budgeteinsparungspolitik. Die müssen wir fortsetzen. STANDARD: Die Steuerreform wäre aber wohl teurer gewesen, als es die Katastrophenhilfe jetzt ist. Khol: Das Volumen für die Reform wären zwei Milliarden Euro gewesen. Die Milliarde, die aus dem Budget gekommen wäre, haben wir den Hochwasseropfern gegeben. STANDARD: Was aber verkaufen Sie den Wählern in einem Jahr? Bis dahin ist die Flut vergessen und übrig wird bleiben: Weder Steuerreform noch Nulldefizit wurden zusammengebracht. Khol: Jeder Mensch versteht, dass bei so einer Jahrhhundertkastastrophe die Not der Betroffenen zu lindern ist. STANDARD: Die FPÖ hat sich mehr noch als die ÖVP eine Steuerreform gewünscht. Khol: Beide haben sich eine gewünscht. Vorarbeiten zur Systemvereinfachung werden wir aber weiter leisten. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. STANDARD: Was halten Sie von der - von der SPÖ erzwungen - Sondersitzung nächsten Montag, mitten im Sommer? Khol: Ich halte sie für absolut notwendig, weil wir die nötige Gesetzgebung für das Hilfspaket einbringen können. STANDARD: Sie funktionieren die Inszenierung der Opposition zur Abfangjägerfrage in eine Regierungsinszenierung um? Khol: Wir ersparen dem Steuerzahler eine zweite Sondersitzung. STANDARD: Womit wird die ÖVP in einem Jahr bei städtischen Wählern punkten können? Khol: Mit der durchgezogenen ökosozialen Marktwirtschaft, mit Wirtschaftserfolgen, Verwaltungsreform, neuem Wettbewerbsdenken, besseren Lebens- und Bildungschancen und vor allem mit dem neuen Kindergeld und der Abfertigungsreform. STANDARD: Die ÖVP inszeniert sich aber als Partei, die eher am Land punktet. Mit Volksliedersingen kommt man bei städtischen Jungwählern wohl nicht so gut an. Khol: Solidarität, Kameradschaft und Geselligkeit spricht auch junge Leute an. STANDARD: Wird es einen Lagerwahlkampf schwarz-blau versus rot-grün geben? Khol: Das werden wir uns sicher nicht aufzwingen lassen. STANDARD: Sie haben in einem Interview einmal gemeint, die SPÖ sei derzeit nicht reif, wieder Regierungsverantwortung zu übernehmen. Gilt das noch? Khol: Natürlich. Interessant ist, dass es Herrn Gusenbauer nicht gibt - trotz Hochwasser, Steuerreform- und Abfangjägerfrage. Es gibt ihn nicht, und er fehlt niemandem. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.8.2002)