Tabor Süden, einzelgängerisch, unberechenbar und übermotiviert, hat es mit stark beschädigten Menschen zu tun. Als Hauptkommissar der Vermisstenstelle muss er Verschwundene suchen, die ihr tristes Leben nicht mehr ausgehalten haben, Menschen, die entweder nie oder als Leiche wieder auftauchen. Eine heruntergekommene Frau meldet ihren Bruder als abgängig. Er war ein Trinker, ein gescheiterter Künstler ohne Wurzeln und Freunde. Was den Außenseiter veranlasst hat, so plötzlich abzutauchen, ist ungewöhnlich. Nach langen wirren Nachforschungen erfährt Süden, dass der Verschwundene mit der Tatsache konfrontiert worden war, eine neunzehnjährige Tochter zu haben, von deren Existenz er nichts gewusst hatte. Ani wählt die Form des Monologs, bei dem Absender und Adressat zunächst unklar sind. Seine Geschichten haben kein wirkliches Ende, sind voll Weltschmerz und ungewöhnlichen Einsichten. Friedrich Ani: Süden und die Frau mit dem harten Kleid. EURO 8,20, Knaur, München 2002. Jakob Vogelwart ist ein wenig aus der bürgerlichen Welt gekippt. Einst ist er Schriftsteller gewesen, jetzt hat er sich auf Wohnungseinbrüche spezialisiert, was wesentlich mehr einbringt und weniger Arbeit macht. Gerade ist er in ein neues Quartier gezogen und versucht sich mit den recht skurrilen Bewohnern des Hamburger Schanzenviertels anzufreunden. Gerlach konstruiert hier keinen herkömmlichen Krimi, obwohl er uns höflicherweise bereits als eine Art Vorwort verkündet: "Die Leiche liegt auf S. 89." Die Wahrnehmungen Jakobs gleiten allmählich ins Surreale ab. Er kann seine paranoiden Ideen nicht mehr so recht von der Wirklichkeit unterschieden. Und so taumelt er von einer Kneipe in die andere, spioniert das Leben der Nachbarn aus, die alle etwas zu verbergen haben und sich vor allem den Teufel darum scheren, wenn im Hinterhof eine Leiche liegt. Eine schrille Geschichte für Leser, die sich gern auf Abwege führen lassen. Gunter Gerlach: Ich lebe noch, es geht mir gut. EURO 10,80, Rotbuch, Hamburg 2002. Einem arbeitslosen Schauspieler wird die Rolle seines Lebens angeboten. Er soll für zwei Tage einen zu einem allzu ungünstigen Zeitpunkt dahingeschiedenen Banker spielen und eine Unterschrift unter einen Kreditvertrag setzen. Enver lässt sich auf das riskante Spiel ein und versucht so gut wie möglich, den mächtigen Mann zu spielen. Natürlich geht das nicht ohne diverse Fast-Katastrophen ab, zumal sich in der Gegend der Banker-Villa, die Enver vorübergehend bezogen hat, ein ausgebrochener Schwerkrimineller herumtreibt. Als der gefasst wird, gibt er aus purer Geltungssucht die Morde, die im Laufe der verzwickten Handlung passieren, zu. -ky alias Horst Bosetzky, der einmal ein großer Star der Szene war, bietet inzwischen aber recht wenig Überraschungen. Oder sind es einfach die nachrückenden jungen Autoren des Genres, die so viel besser als die Routiniers geworden sind? -ky: Das Double des Bankiers. EURO 8,20, rororo, Reinbek bei Hamburg 2002 (Ingeborg Sperl/ DER STANDARD, Printausgabe, 17.8.2002)