Literatur
Schwedische Sympathisanten des Naziregimes
Ein Buch über die nationalsozialistische Vergangenheit sorgt für Aufregung im skandinavischen Staat
Stockholm - Ein Buch über Schwedens
nationalsozialistische Vergangenheit sorgt derzeit für Aufregung im
skandinavischen Staat. In dem 500 Seiten starken Band mit dem Titel
"Schwedischer Nationalsozialismus" listet Autor Tobias Huebinette
28.000 schwedische Sympathisanten des Naziregimes zwischen 1933 und
1945 auf. Die Liste enthält Namen, Beruf und Adresse dieser Personen,
unter denen genauso Abgeordneten und Aristokraten zu finden sind, wie
Fischer oder Hausfrauen: einer von ihnen ist etwa der spätere Gründer
des Möbelhauses IKEA, Ingvar Kamprad.Namenslisten
Der Autor, ein ehemaliger Aktivist der extremen Linken, hatte die
Mitgliederlisten von zahlreichen Parteien, Gruppen und Vereinen
durchforstet, um eine möglichst vollständige Namensliste aller
Nazisympathisanten im damals offiziell neutralen Schweden
zusammenzustellen. Das Buch wird nun in der schwedischen
Öffentlichkeit von der einen Seite als "politische Pornographie"
verteufelt, von der anderen als "großer Schritt in die richtige
Richtung" begrüßt. "Familiengeheimnisse sind heilig in Schweden, das
kommt aus der protestantischen Tradition", sagte der Verfasser
zu den negativen Reaktionen auf sein Buch.
Huebinette verschont auch die Mitglieder der Königsfamilie nicht:
der Deutsche Walter Sommerlath, Vater der schwedischen Königin Silvia
und ehemaliges NSDAP-Mitglied, steht genauso auf der Liste wie
mehrere Verwandte König Carl Gustafs XVI., unter anderem dessen
Mutter, Sybille von Sachsen-Coburg-Gotha.
Der ehemalige konservative Abgeordnete Rolf Clarkson, der
ebenfalls in dem Buch verzeichnet ist, rechtfertigte bereits am
Mittwoch vor Erscheinen des Bandes sein "Jugendengagement" in einer
Erklärung an die Presse. Die schwedischen Nazisympathisanten hätten
damals Gerechtigkeit für Deutschland wegen des Vertrages von
Versailles gefordert und hätten nichts von den düsteren Seiten des
Nationalsozialismus - etwa dem Holocaust - gewusst, sagte er.
Historiker Klaus Böhme, der das Vorwort des Buches schrieb, teilt
diese Ansicht nicht: "Die schwedischen Nazisympathisanten lasen
regelmäßig die deutsche Presse und kannten sehr wohl die inhumane und
rassistische politische Kultur des Dritten Reiches".
Premierminister Göran Persson versprach in einer Reaktion auf das
Buch, bald die Archive der Polizei aus der Zeit vor 1949 freizugeben,
um die historischen Forschungen über diese Periode zu erleichtern.
Bis heute gibt es nämlich relativ wenige historische Werke, die sich
mit dem Verhältnis zwischen Schweden und dem Nationalsozialismus
beschäftigen. Umso größer war daher das Interesse des Publikums an
Huebinettes Buch: in manchen Stockholmer Buchgeschäften war der Band
bereits am ersten Tag vergriffen. (APA)