Die kanadische Fluggesellschaft Air Canada legte in diesem Monat überraschend schwarze Zahlen für das zweite Quartal 2002 vor. Der Gewinn fiel zwar mit 30 Millionen kanadischen Dollar (19,5 Mio. Euro) bescheiden aus, und der Umsatz stagnierte. Doch da praktisch alle US-Flugkonzerne zur gleichen Zeit riesige Verluste bei Erträgen und Umsatz auswiesen, steht Air Canada als glänzende Ausnahme da.

Auch Kanadas Flugunternehmen hatte während sechs aufeinander folgenden Quartalen Verluste geschrieben, aber zwischenzeitlich die Kos- tenstruktur drastisch verbessert. Kostenreduktionen erreichte Air Canada durch Entlassungen, Einsparungen beim Treibstoff und bei Gebühren an Dritte. Daneben halfen der Fluggesellschaft Sonderfaktoren: Air Canada hat seit der Fusion mit Canadian Airlines Anfang 2000 fast eine Monopolstellung im inländischen Flugverkehr. Die Gesellschaft kontrolliert laut Experten rund 85 Prozent des Marktes. Air Canada profitierte auch davon, dass die Airline "Canada 3000" im vergangenen November Bankrott ging. Jetzt bleibt nur noch WestJet Airlines Ltd. als Konkurrentin übrig, die mit günstigen Preisen erfolgreich ist. Deshalb hat Air Canada die Billigfluglinie "Tango" lanciert. Im September soll ein weiterer Discountflieger namens "Zip" folgen.

Damit reagiert Air Canada auch auf die Tatsache, dass viele Passagiere der Businessclass ausbleiben und später wohl nicht im selben Ausmaß wie vor der Wirtschaftskrise zurückkehren werden. In den hauseigenen Billiganbietern steckt allerdings die Gefahr, dass Passagiere, die die höheren Preise von Air Canada bezahlten, nun beispielsweise zu "Tango" abwandern. Das ist nicht das einzige Risiko für die Zukunft von Air Canada: Die Schuldenlast des Konzerns beträgt immer noch netto 10,6 Mrd. kanadische Dollar. Trotzdem war der Kurs der Aktie von einem Tief bei 1,80 Dollar Mitte Oktober 2001 bis Mitte Mai 2002 um über 300 Prozent gestiegen. Derzeit notiert sie bei rund drei Dollar. Analysten fürchten, dass die kommenden Monate für Air Canada schwierig werden könnten, wenn die US-Wirtschaft flau bleibt. (Bernadette Calonego aus Vancouver, Der Standard, Printausgabe, 19.08.2002)