Gäbe es nicht heuer zum ersten Mal einen von den Salzburger Festspielen vorsorglich ausgelobten Schauspielwettbewerb, der von einer weltbekannten Firma für Schreibutensilien mit einem "Max Reinhardt Pencil" sozusagen tropfecht unterstützt wird, man könnte von einem Defilee der Gespenster sprechen: tintenschwarz, wie Sven-Eric Bechtolfs zynisch ausgebrannter Hofreiter in Andrea Breths Inszenierung von Das weite Land , oder taubengrau, wie Jörg Gudzuhns in den Abgrund geschmierter Da Ponte in Santa Fe , oder auch nur altersgrau meliert, wie Peter Simonischeks zynisch entsühnter Jedermann auf dem Salzburger Domplatz. Das allenthalben spürbare Grauen sitzt tief im Herzen einer Unternehmung, die bereits in der Ära Mortier eine schleichende Auszehrung erfuhr. Viel gebuchte Starintendanten wie Frank Baumbauer oder weise Nestoren wie Ivan Nagel genossen die Annehmlichkeiten der schönen Gegend und betätigten sich ansonsten als Dienstleister. Sie buchten beflissen, was in den deutschen Großmetropolen gerade auf den Programmzetteln stand. Ihr Wirken blieb streng episodisch. Nun kehren unter dem mild-weichen Schauspielregime Jürgen Flimms alte, schwankende Figuren als Spukgestalten wieder. Die grundlegende Jedermann-Reform wurde abgeblasen; dafür wurde die lebende Leiche überschminkt. Und noch in Andrea Breths Schnitzler-Inszenierung kommt eine staunende Ungläubigkeit zum Ausdruck: Diese leibhaftigen Gestalten haben mit uns zu tun? Ohne eine neue Auseinandersetzung mit Hofmannsthals und Reinhardts in vieler Hinsicht problematischem Erbe droht die Auswaschung der Salzburger Fundamente. Übrig bliebe nichts als ein gut geölter, sommerfrischer Burgtheater-Filialbetrieb. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.8.2002)