Wien - Um "Love, Sex und so . . ." geht es in der gleichnamigen Aufklärungsbroschüre des Sozialministeriums. Sie richtet sich an Jugendliche ab zwölf und hat den Zorn konservativer Elternverbände auf sich gezogen, die geharnischte Beschwerdebriefe verfasst haben. Unter anderem hat der Chef des freiheitlichen Elternverbandes, Herbert Vonach im Ministerbüro seines Parteikollegen und "Jugendministers" Herbert Haupt "Bedenken angemeldet".Und das ist die Kritik, die auch vom ÖVP-nahen Familienbund sowie dem "Institut für Ehe und Familie" der Bischofkonferenz kommt: Sexualerziehung sei Elternrecht, in der Broschüre kämen Eltern nur als "Spaßverhinderer" vor. Ohnehin wären die Verbände gerne vor Drucklegung des Hefts beigezogen worden. Insgesamt gehe die Broschüre von einem "aggressiv-hedonistischen Weltbild" aus. Außerdem sei die Sprache billig, sozusagen "Bravo-Niveau", ergänzt die Familienbund-Geschäftsführerin Alice Pitzinger in einem STANDARD-Gespräch. Fokus auf Initiativen von Homosexuellen Pitzinger kritisiert, dass im Heft überproportional häufig auf Homosexuellen-Initiativen sowie auf Stellen, die auch Abtreibungen vermitteln, verwiesen werde, hingegen beispielsweise die "Aktion Leben" mit keinem Wort vorkomme. Abtreibung werde verharmlost, Schwangerschaft lediglich als beseitigbarer Problemfall dargestellt, finden die KritikerInnen unisono. "Keine Panik. Schwanger?" lautet der Titel des zugehörigen Kapitels. Allerdings heißt es in dieser Passage auch: "Mit großer Sicherheit werden dich auch deine Eltern unterstützen, auch wenn dir das im ersten Moment unvorstellbar erscheint." Pitzinger ist auch über jene Passage empört, in der es im Kapitel "Sex" auf einer rot unterlegten Seite heißt: "Sind beide unter 14 Jahren, sind sexuelle Kontakte zwar verboten, können aber nicht bestraft werden, weil sie noch nicht strafmündig sind." Verantwortliche stehen zur Broschüre Die zuständige Sektionschefin im Sozialressort, Henriette Naber, merkt allerdings an, dass man die jugendlichen Leser genau auf dieser Seite auf individuelle Regeln des Elternhauses aufmerksam mache. Naber verteidigt das Heftchen, das - beispielsweise von Schulen - kostenlos angefordert werden kann: "Ich würde mir ja selber eine heile Welt wünschen, in der Eltern über alles mit ihren Kindern reden und solche Broschüren nicht notwendig sind." Doch als frühere Kinder- und Jugendlichenanwältin wisse sie Bescheid über die vielen unbeantworteten Fragen Jugendlicher. Dass Schwangerschaft als Problemfall dargestellt wird, findet sie in Ordnung: Schließlich handle es sich bei der Zielgruppe "nicht um Militärbischöfe, sondern um Zwölf- bis 16-Jährige". Über die negativen Reaktionen sei sie "vollkommen baff" gewesen. Die Vorgängerbroschüre mit dem Titel "Luftballons im Bauch" habe wesentlich weniger Kritik erzeugt. "Wie in der Steinzeit" Brigitte Cizek, eine der Autorinnen und Chefin des als bürgerlich geltenden Instituts für Familienforschung, kommt sich angesichts der Kritik "wie in der Steinzeit" vor. Sie verteidigt die gewählte Sprache: "Wir müssen die Jugendlichen dort abholen, wo sie sind. Und dafür haben wir oft Stunden an nur einem einzigen Satz gefeilt." Den moralischen Zeigefinger würden Jugendliche wohl einfach nur "kotzig" finden. Statt Protestnoten gegen Aufklärungsbroschüren zu verfassen, sollten sich die Familienverbände lieber aktiv darum kümmern, dass sich Eltern mehr an Projekten zur Sexualerziehung an den Schulen beteiligten, sagt Cizek: "Bei diesem Thema sitzen dann oft nur vier Eltern einer vierten Klasse Hauptschule da." Martina Salomon, D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 19.8. 2002)