Wien - Der Kreditschutzverband von 1870 (KSV) überlegt einen
neuen Musterprozess in Sachen Riegerbank. Seit Einbringen der
Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich im Dezember 1999
seien zahlreiche neue Fakten aufgetaucht, die die Gestionierung der
Riegerbank "sonderbar" erscheinen ließen und die Bankenaufsicht
"keineswegs entlasten", sagte KSV-Insolvenzexperte Hans-Georg Kantner
am Montag zur APA. Derzeit werde mit Anwälten eine neue Klage
geprüft.
Das kürzlich erfolgte Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) zum
seit Dezember 1999 laufenden KSV-Musterprozess bezeichnete Kantner
als "enttäuschend und unverständlich". Laut KSV, der im Prozess die
Interessen von rund 600 Riegerbank-Geschädigten vertrat, laufen
derzeit noch drei ähnlich gelagerte Verfahren, die Vorbildcharakter
haben könnten. Ein Gericht habe bereits erkannt, dass die Republik
Österreich für ihre Bankenprüfer hafte.
OGH fühlt sich nicht zuständig
Der OGH habe sich in dritter und letzter Instanz letztlich für
nicht zuständig erklärt, resümiert Kantner. Seiner Ansicht nach habe
sich die Bankenaufsicht im "Fall Rieger" zu lange als "reine
Papierbehörde geriert" und erst zu spät mit einer Stichprobe der
"sagenhaften Kassa- und Bankguthaben in Höhe von hunderten Millionen"
eingegriffen. Zur Erinnerung: Im Herbst 1998 floh Bankchef Wolfgang
Rieger, hunderte Millionen Schilling verschwanden, das Institut
schlitterte in den Konkurs, zahlreiche Kleinanleger verloren ihre
Ersparnisse.
Die Prüfung durch die Bankenaufsicht habe Riegers Flucht und den
Zusammenbruch seines Instituts bewirkt - aber letztlich zu spät,
meint Kantner. Es sei enttäuschend, dass sich der OGH dafür nicht
zuständig fühle. Bereits 1996, also zwei Jahre vor der Rieger-Pleite,
habe es "Dutzende bemerkenswerte Vorfälle" gegeben, "die jeweils zu
einer aktenmäßigen Bearbeitung in der Bankenaufsicht geführt haben".
Doch Wolfgang Rieger habe eine Stichprobe "der sagenhaften Kassa- und
Bankguthaben in Höhe von hunderten Millionen" bis September 1998
hinausschieben können.
Kritik an Bankenaufsicht
Kantner vergleicht dieses Verhalten der Bankenaufsicht mit einer
"Polizeistreife, die einem Amokfahrer mit Sicherheitsabstand
hinterherfährt, und ihn immer wieder über Lautsprecher zur Aufgabe
bittet. Er gibt dann auch auf, aber auf der Strecke kommen hunderte
Menschen zu Schaden".
Nach dem OGH-Urteil könne letztlich nur der Finanzminister
aufatmen: Der OGH habe nämlich "mit Wirkung für viele hundert
Anleihekäufer die Haftung der Republik Österreich für alle
Versäumnisse der Bankenaufsicht verneint".
Eine Frage der Marktkontrolle
Wenig Verständis bringt Kantner auch dafür auf, dass die
Bankenaufsicht offenbar "nicht so genau hinsehen" müsse wie der
kleine Sparer. Die Tatsache, dass sich die Geschädigten an die
Republik als "einen Zahlungsfähigen" wenden, klinge wie ein Vorwurf,
beanstandet Kantner. Zudem sei laut OGH das Risiko der von der
Riegerbank angebotenen Geldveranlagungen "bereis nach dem
Informationsstand im Zeitpunkt der Zeichnung der Anlage unübersehbar"
gewesen.
Ein solcher Standard wäre im Lebensmittelrecht oder bei
technischen Anlagen nicht tragbar. "Ich glaube nicht (...), dass eine
Behörde deshalb nicht einschreiten müsste, weil der Schimmel auf der
Wurst für den Käufer unübersehbar war", so Kantner. Effektive
Marktkontrolle am Kapitalmarkt sei ebenso nötig wie Kontrollen in
Österreich Fleischtruhen. Kantner verweis auf den Weinskandal, nach
dem Österreich eine erstklassige Weinkultur entwicklen konnte. (APA)