Österreich
Überraschende Urteile im IMMAG-Prozess
Salzburger Wirtschaftsskandal: Zwei Haftstrafen und drei Freisprüche
Salzburg - Mit einem überraschenden Urteil ist am Montag der IMMAG-Prozess am Landesgericht Salzburg beendet worden.
Ein Ex-IMMAG-Vorstandsmitglied sowie ein pensionierter
Wirtschaftstreuhänder wurden von einem Schöffensenat zu drei Jahren und sechs
Monaten beziehungsweise fünf Jahren Haft verurteilt. Für die drei
anderen Angeklagten gab es Freisprüche. Das Urteil ist noch nicht
rechtskräftig. Erster Staatsanwalt Helmut Inselsbacher legte Strafberufung bei
den zwei Verurteilungen und Nichtigkeitsbeschwerde bei den drei
Freisprüchen ein. Auch die beiden Verurteilten, Friedrich D. (47) und
Otto H. (64), legten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein.
Mitwissertum
Die Verurteilten hätten um die Machenschaften des
"verbrecherischen Charakters des Konzerns" Bescheid gewusst, stellte
Richterin Ilona Mozes in ihrer Begründung fest. Sie seien zwar nur
Randfiguren rund um Bernd S. und Norman G. gewesen, doch
hätten sie keinen Versuch gemacht, die "Geldvernichtungsmaschinerie"
zu stoppen. Beiden wird vorgeworfen, von der
"Loch-auf-Loch-zu-Methode", den Verrechnungsrädern und den
Verschachtelungen im Imperium gewusst zu haben.
Mildernde Umstände
In den Finanzierungsplan der Konzernleitung wären sie zwar nicht
konkret eingeweiht gewesen, aber sie hätten dazu beigetragen, "die
Machenschaften Grafs" aufrecht zu erhalten. Mildernd wertete das
Gericht unter anderem den ordentlichen Lebenswandel, das
Wohlverhalten und die lange Verfahrensdauer, erschwerend den langen
Tatzeitraum und hohen Schaden.
Freisprüche
Die Freisprüche wurden folgendermaßen begründet: Die drei
Freigesprochenen hätten die Untreue-Handlungen zwar unterstützt, aber
nicht bewusst. Ihnen hätten Konzern übergreifende Informationen
gefehlt - auch sei ihnen nicht "reiner Wein" eingeschenkt worden, so
die Richterin. Außerdem wären sie dem Wissen von Norman G., Herbert
N. und Jürgen G. unterlegen gewesen. Den drei
Freigesprochenen hätte die "geistige Wendigkeit" gefehlt. "Raffinesse
ist Volkssache nicht", so Mozes.
Die Richterin hob in ihrer Beurteilung vor allem die
Schlüsselrolle Norman G.s hervor, der immer als "Genie" oder
"Superhirn" bezeichnet werde. Außerdem hätte man ihm als ehemaligen
Staatsanwalt fast blindlings vertraut. Graf sei "nie mit der Tür ins
Haus gefallen", sondern habe stets die Leute abgetastet, wie er sie
einsetzen könne, so sinngemäß die Richterin. Alle Beschuldigten
hätten dann auch "die Vorgaben Grafs fast uneingeschränkt umgesetzt".
Schadenssummen
Den drei Ex-Vorstandsmitgliedern, dem Wirtschaftstreuhänder und
einer leitenden Angestellten - sie mussten sich seit 12. September
2001 vor dem Salzburger Landesgericht verantworten - hatte die
Anklage Untreue vorgeworfen. Dem pensionierten Wirtschaftsprüfer Otto
H. (64) lastete die Staatsanwaltschaft einen Schaden von 134,6
Millionen Euro an, den beiden früheren IMMAG-Vorständen Friedrich D.
(47) und Franz P. (56) wurden je 83,65 Millionen Euro zugerechnet.
Ex-Vorstand Werner B. (55) wurde für 17,6 Millionen Euro
verantwortlich gemacht, die ehemalige Leiterin des Rechnungswesens,
Gerda H. (44), für 73,54 Millionen Euro.
Friedrich D. bekam drei Jahre und sechs Monate Haft, wobei ihm die
Untersuchungshaft angerechnet wird. Otto H. wurde zu fünf Jahren Haft
verurteilt. Franz P., Werner B. und Gerda H. wurden freigesprochen.
Das Strafverfahren ist im Zusammenhang mit Österreichs größtem
Bauskandal (der Bautreuhand-WEB-IMMAG-Affäre, Anm.) zu sehen, die
Mitte 1989 durch eine Anzeige der Salzburger Arbeiterkammer ins
Rollen gebracht worden war. Im ersten Verfahren waren die Angeklagten
- mittlerweile rechtskräftig - zu Haftstrafen zwischen sechs und neun
Jahren verurteilt worden. (APA)