Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Reuters/Gerald Lechner
Rund 1,4 Milliarden Euro stellt die Regierung den Opfern der Hochwasserkatastrophe nun zur Verfügung - und akzeptiert die nicht gerade geringe Gefahr, dass ein guter Teil dieser Mittel inklusive der zusätzlich notwendigen privaten Aufbauleistungen schon bald wieder den Bach hinuntergehen könnten. Keine Frage: Die Opfer benötigen rasche und großzügige Hilfe, um ihre Existenz zu retten oder neu aufzubauen. Etwa 10.000 Häuser sind nach ersten Bilanzen schwerstbeschädigt, unzählige Unternehmen wissen nicht, ob sie wieder aufsperren werden. Fraglich ist allerdings, ob es sinnvoll ist, das mühsam zusammengekratzte Geld in die zerstörten Häuser zu stecken und das Risiko zu akzeptieren, dass die nächste Flut erneut alles unter sich begräbt. Private Versicherungen werden nun noch weniger bereit sein, in den gefährdeten Gebieten Wohnungen und Häuser voll zu versichern - und wenn, dann nur gegen horrende Prämien. Und das Risiko auf Dauer einfach auf den Staat abzuwälzen kann auch keine Lösung sein. Dass in vielen Fällen mit größerem Risiko gebaut wurde, bewiesen schon in der Vergangenheit die überdurchschnittlichen Schwierigkeiten in einigen Krisenregionen, eine Hochwasserversicherung zu bekommen. Sinnvoller, als riskant zu reparieren, wäre es, derzeitigen und natürlich auch potenziellen Hochwasseropfern alternative Grundstücke anzubieten und sie so bei ihrer "Neugründung" zu unterstützen. Natürlich ist die historische Altstadt von Steyr oder von Gars nicht umzusiedeln, aber die Problemzonen könnten so eingegrenzt werden. Vielleicht kann ja eine höher gelegene landwirtschaftlich genutzte Fläche in einer Gemeinde zu einem Wohngebiet umgewidmet werden und der notwendige Neubau so einem neuerlichen Hochwasser entzogen werden. Das ist natürlich teurer und umständlicher - ist aber seriöser als die derzeit angedachten Modelle. Die Bereitschaft der Betroffenen zu einem begrenzten Umzug vielleicht nur ein paar hundert Meter weiter ist vermutlich höher, als die vorwahlgebeutelte Regierung annimmt: Wer Haus oder Wohnung in den Fluten verloren hat, wird sich wohl einige Zeit vor jedem größeren Regen zu Recht ziemlich fürchten. Und nicht nur Hochwassergebiete sind betroffen. Dort, wo vor gar nicht so langer Zeit Lawinen und Muren abgegangen sind und Häuser und ganze Ortschaften schwer verwüstet haben, stehen bereits wieder neue Bauten - zum Teil in roten Zonen, wo eigentlich gar nicht gebaut werden dürfte. Im Notfall wird halt eine Zone den Bedürfnissen "angepasst". Solange allerdings Baugenehmigungen weiter ausschließlich von Bürgermeistern erteilt werden, wird sich nicht viel ändern. Vor allem im ländlichen Raum mit seinen kleinteiligen Strukturen erliegen viele "Ortskaiser" der Versuchung, ihren Wählern nur ja jeden Wunsch zu erfüllen. Ohne Baugenehmigung droht Stammtisch-Mobbing. Hier wäre eine Änderung der Bauordnung sicher sinnvoll - wenn auch einiges dafür spricht, die eigentliche Ortsgestaltung möglichst in den Händen der Betroffenen selbst zu belassen. Aber ein sicherheitstechnisches Korrektiv im Verantwortungsbereich der Landesregierung oder zumindest der Bezirkshauptmannschaft könnte von den Bürgermeistern auch einigen Druck nehmen. Naturkatastrophen in bisher kaum gekannten Ausmaßen drohen nun öfter - darin sind sich die Klimaforscher einig. Eine breite Diskussion über die Problematik und entsprechende langfristige Maßnahmen in der Bauordnung - was Lage wie Ausführung von Gebäuden in den gefährdeten Gebieten betrifft - wären wünschenswert. Schlammschaufelnde Politiker mit periodisch wiederkehrenden Spendenaufrufen sind eindeutig zu wenig. Und ein hilfloses Hilfspaket auf Kosten von Steuerreform und Lohnnebenkosten ist nicht mehr als ein Pfusch von Ratlosen, der den Opfern ein Pflaster bietet, wo eine Operation nötig wäre. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.8.2002)