Am Montag ist Eduardo Chillida mit 78 Jahren einer degenerativen Hirnerkrankung erlegen. Chillidas monumentale und dennoch schwebend leichte Skulpturen zählen zu den populärsten Werken des 20. Jahrhunderts.

 

San Sebastián - Seine erste Karriere mündete in eine Katastrophe für Real Sociedad: Eduardo Chillida Juantegui musste 1942 nach einer Knieverletzung seine Karriere als Torhüter beenden. Chillida zog nach Madrid, um Architektur zu studieren, brach die Ausbildung aber nach drei Jahren ab. Und ging mit dem Vorsatz, Künstler zu werden, nach Paris. Erste Ton- und Gipsfiguren entstanden: voluminöse Frauentorsi.

Ansonsten hielt Chillida sich hauptsächlich im Louvre auf. Bis er dann 1950 seiner Frau eröffnete, „am Ende“ zu sein, nach Hause zu wollen. Die Träumereien leicht angegrauter Surrealisten berührten den Basken ebenso wenig wie die Halden antiker Versatzstücke im Louvre. Er hatte Heimweh nach dem, ganz anders als am Mittelmeer der Griechen, „dunklen Licht“ seiner Heimat.

Eduardo Chillida zog zurück nach San Sebastián, zeugte das erste von zuletzt acht Kindern, entdeckte im Eisen sein „hartes, aber gefügiges“ Material und lernte in den berühmten Schmieden des Baskenlandes das kulturgründende Handwerk.

Wie wenige Künstler des 20.Jahrhunderts hat Eduardo Chillida von da an aus einer ganz stark lokal verwurzelten Identität heraus ein international verständliches und weit über die Grenzen des Kunstbetriebs hinaus akzeptiertes Vokabular entwickelt. Schon 1958 erhielt er den Großen Preis der Biennale von Venedig, die Pariser Galerie Maeght bereitete den Markt auf. Im Folgejahr standen erste Chillidas auf der Kasseler documenta II unter den Großen seines Gewerbes: Henry Moore, Alexander Calder, Henri Laurens, Lynn Chadwick, Hans Arp, Marino Marini, Ossip Zadkine.

In den 60ern festigte der Großmeister der abstrakten Skulptur sein formales Repertoire und positionierte sich inhaltlich als „Architekt der Leere“: Die Masse seiner bis zu 65 Tonnen schweren Eisengebilde und der Raum, den sie greifen, müssen in einer gemeinsamen Achse ruhen. Masse und Raum, die Positiv- und die Negativform stehen in einem dialektischen Zusammenhang. Um die unendliche Leere dem begrenzten Geist anschaulich zu machen, muss sie ebenfalls begrenzt, skulptural gefasst werden. Logisch, dass ein derart didaktisches Unterfangen, die Nichtigkeit des Inviduums angesichts der Schöpfung anschaulich zu machen, nach dem Monumentalen greift. Skulptur war Eduardo Chillida ein Ort der Begegnung, Kunst ungebrochen sinn- und dadurch letztlich friedensstiftend.

Sein Lob des Horizontes, ein Windkamm aus 500 Tonnen Gussbeton an der Atlantikküste bei Gijón, steht prototypisch für Chillidas ungebrochenen Glauben an die möglichkeit der Aussöhnung, des Vermittelns. Neben den unbestrittenen formalen Qualitäten des Werks wurden die milden Kolosse wohl auch ob ihrer kaum verschlüsselten Metaphorik so ungemein populär. Mit ihnen ließen sich unübersehbare Zeichen der guten Absicht setzen, gut lesbare positive Signale, wie die 2000 vor dem deutschen Bundeskanzleramt aufgestellte Plastik Berlin oder die Arbeit Toleranz und Dialog im Hof des Rathauses von Münster.

Mit der Eröffnung von Chillida Leku (Chillidas Ort) in Hernani bei San Sebastián erfüllte sich ein Lebenstraum: Er konnte viele seiner Arbeiten zurückkaufen und auf einem 12 Hektar großen Gelände im Licht des Baskenlandes installieren. Wichtig an der Konzeption des Parks war ihm Dynamik. Die Skulpturen, deren Dimension er stets aus ihrer Form, nicht aber aus einem speziellen Ort ableitete, sollten im Jahresrhythmus den Standort wechseln.

Ein weiterer Traum, in einen Berg auf den Kanaren einen Erfahrungsraum von 50 Meter Kantenlänge zu schlagen, scheiterte an Umweltschützern und Bedenken Einheimischer, er würde damit böse Geister wecken.

In einem seiner letzten Interviews, das er STANDARD-Korrespondent Josef Manola 1999 gab, beschreibt Eduardo Chillida das Projekt im Tindaya-Berg: „Der Berg wird ausgehöhlt und mit Öffnungen versehen, die sich Sonne und Mond öffnen. Der riesige Innenraum wird sich mit dem Licht verändern. Wer dort hineingeht - egal, ob er zwei oder 1,30 Meter misst -, wird sich als Bruder aller anderen Menschen fühlen, weil er erkennen muss, dass er nur ein Zwerg ist.“ (DER STANDARD, Printausgabe, 21.8.2002)