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Franz Grundheber als 'Jupiter' in 'Die Liebe der Danae'

Foto: APA/Neumayer

Mit einer Neuproduktion der "Liebe der Danae" erwiesen die Salzburger Festspiele Richard Strauss wohl ihre Reverenz, aber keinen großen Dienst. Das Ensemble und Dirigent Fabio Luisi wurden bejubelt. Gegen Günter Krämers Inszenierung gab es Proteste.

Salzburg – Bekanntlich gedieh die im Sommer 1944 geplante Uraufführung der Liebe der Danae wegen eines Verbots sämtlicher Kunstveranstaltungen durch Joseph Goebbels nur bis zu einer öffentlichen Generalprobe am 16. August. Nach deren umjubeltem Schluss war der 80-jährige Komponist plötzlich verschwunden. Nach längerer Suche fanden ihn seine Adoranten schließlich einsam in einer Garderobe sitzend, die Danae-Partitur unter den Arm geklemmt. Versonnen soll Strauss dann, den Blick nach oben gerichtet, gesagt haben: "Wenn ich nun bald den Weg dorthin antrete, so hoffe ich, wird mir verziehen werden, wenn ich das mitbringe."

Solche Skepsis ehrt den Meister. Man braucht die Salome, die Elektra, Ariadne auf Naxos oder das nach der Danae entstandene Capriccio nur gehört und gar nicht komponiert zu haben, um zu ahnen, was eine gelungene Strauss-Oper ist.

Nach dem Konsum von nunmehr zwei Produktionen dieses Werkes – einer 1964 in Graz und jener vom vergangenen Montag in Salzburg – darf daher ohne Zynismus gesagt werden, dass der im vorletzten Kriegsjahr erzwungene Aufschub der Danae-Uraufführung bei allem gebotenen Respekt nur ein mittelschweres Malheur darstellte.

Noch gibt es auch keine Kunde, ob sich die für diese Festspielproduktion Verantwortlichen nach Ende der Premiere ebenfalls in Sorge um ihre postmortalen Chancen in die Stille einer Garderobe zurückgezogen haben. Ein wirklicher Grund zu solcher Bedrückung bestünde allerdings für keinen der Ausführenden.

Gut – Deborah Voigt, die eine Danae von hoher dramatischer Schlagkraft sang, ist der Festspielleitung noch zwei Spitzentöne im dritten Akt schuldig. Schon mehr solcher wird Albert Bonnema, so er überhaupt kann, als schlicht und einfach überforderter Midas nachliefern müssen. Mitunter erinnerte er an den einst als Ariadne-Bacchus ebenfalls mit den Höhen kämpfenden und zum unbändigen Zorn des seligen Karl Böhm oft genug jämmerlich unterliegenden James King.

Hoher Kurswert

Solcher Sorgen ist Franz Grundheber aufgrund des stimmlich in allen Lagen geradezu luxuriös staffierten Jupiters, als der er diese Premiere dominierte (ebenso wie Torsten Kerls Merkur), freilich völlig enthoben. Auch Kirsten Blanck als Danaes Dienerin und das amüsante Quartett von Jupiters anlassigen einstigen Geliebten Semele (Iride Martinez), Europa (Britta Stallmeister), Alkmene (Anke Vondung) und Leda (Annette Jahns) hielten ihre Jenseitsaktien durch ihre sängerischen Leistungen von Festspielrang durchaus stabil. Janez Lotric als Pollux ist jedoch mit einigen doch noch etwas weicher gelingenden Tenortönen noch merklich in der Kreide. Doch daran müsste er als von ungeduldigen Gläubigern gepeinigter königlicher Vater der Danae mittlerweile gewöhnt sein.

Diese Ausgangssituation der Handlung – ein Pleitier will sich durch die Verheiratung seiner Tochter mit dem goldstrotzenden König Midas sanieren – wäre eigentlich der archimedische Punkt für eine ebenso zeitgemäße wie schlüssige szenische Realisierung dieses Werkes. Warum Günter Krämer diesen aufgelegten dramaturgischen Elfmeter nicht verwandeln wollte, ist schwer nachzuvollziehen. Zumal Joseph Gregors verschmockten Schwulst mit Poesie verwechselndes Libretto sich im ermüdenden Verlauf der Handlung zu einem Mythenstrudel von verwirrender Zutatenfülle weitet:

Wie Ariadne irrt sich auch Danae in der Identität des Freiers. Wie Wotan von Brünnhilde nimmt Jupiter letztlich versöhnlichen Abschied von Danae. Und wie die Färberin und Barak in der Schweigsamen Frau finden Danae und Midas ihr Glück in ärmlicher Häuslichkeit.

Begreiflich, dass sich Krämer auf dies alles nicht einlassen möchte und die Aktionen poppig zu ironisieren versucht. Was ihm gelingt, ist allerdings nur ein mit Meisterroutine vollzogener Austausch der Unwirklichkeiten. Das Spiel bleibt so seicht wie das Wasser, unter das Gisbert Jäkel als Ausstatter zum Teil die Einheitsbühne setzt.

Für den goldenen Regen, von dem Danae träumt, findet Richard Strauss fast die gleichen Effekte wie bei der Überreichung der silbernen Rose im Rosenkavalier. Ob Silber oder Gold, die Celesta macht sich immer gut.

Wie diese Musik insgesamt vor motivischen, aber auch strukturellen Selbstzitaten strotzt. Fabio Luisi hat dieses Gestrüpp an rhythmisch unruhig hoch- und niederfahrenden Nebenstimmen meisterhaft entwirrt und mit der Bühne dynamisch auf geradezu ideale Weise ausgependelt. Trotz der ungünstigen Akustik im kleinen Festspielhaus herrschte zwischen vorbildlicher Wortdeutlichkeit und orchestralem Getümmel anhaltender Einklang. Wenn auch nur in der Demonstration ästhetischer Überflüssigkeit.

So blieb der Spendenappell von Festspielpräsidentin Rabl-Stadler für die diese Produktion brillant grundierende Sächsische Staatskapelle auch schon der einzige authentische Augenblick des Abends. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.8.2002)