Mensch
Mutationen machen Krebsmedikament unwirksam
US-Wissenschafter klärten Mechanismus auf
Los Angeles - Wer den Grund für die Unwirksamkeit eines
Arzneimittels kennt, hat auch den Schlüssel für Verbesserungen in der
Hand: US-Wissenschafter haben jene
Gen-Mutationen identifiziert, die Krebszellen bei der
chronisch-myeloischen Leukämie (CML) sogar gegen das revolutionäre
neue Arzneimittel "Glivec" resistent machen. Das Medikament hemmt spezifisch das Enzym Bcr-Abl. Dieses führt im
Rahmen einer chronisch-myeloischen Leukämie zu ständigen
Teilungsprozessen der bösartigen Zellen im Knochenmark. Sie
überwuchern schließlich das Blutbild. Das erst seit kurzem weltweit
eingesetzte Arzneimittel hat zu einer enormen Verbesserung der
Behandlungsmöglichkeiten bei chronisch-myeloischer Leukämie geführt.
So wurde erst im Mai dieses Jahres beim Kongress der
amerikanischen Gesellschaft für klinische Onkologie (ASCO) eine
Vergleichsstudie mit den bisher verwendeten Therapien präsentiert, an
der auch Patienten des Wiener AKH teilgenommen hatten: Demnach stieg
der Anteil der Patienten, bei denen die meisten Krebszellen aus dem
Blut verschwanden, von 30 auf 84 Prozent. Der Anteil der Patienten,
bei denen überhaupt keine solchen bösartigen Zellen im Blut mehr
festgestellt werden konnte, stieg von 11,5 auf 69 Prozent bei der
Verwendung von "Glivec" im Gegensatz zu der herkömmlichen
Interferon-Chemotherapie-Kombination.
Resistenzen
Doch auf der anderen Seite wurde schon vor einigen Monaten von
"Resistenzen" gegen das neue Medikament berichtet. In der
August-Ausgabe der US-Fachzeitschrift "Cancer Cell" berichten jetzt
Charles Sawyers von der Universität von Kalifornien in Los Angeles
(UCLA) bzw. vom Howard Hughes Medical Institute und seine Co-Autoren
darüber, dass sie jene Mechanismen entschlüsselt haben, die bösartige
Blutzellen für das Arzneimittel unempfindlich machen können.
Der Wissenschafter: "Wir haben eine Reihe von Patienten mit
chronisch-myeloischer Leukämie untersucht, die zunächst sehr gut auf
Glivec ansprachen, aber schließlich einen dramatischen Rückfall
erlitten hatten. Unsere biochemischen Untersuchungen zeigten, dass
dieses Bcr-Abl-Protein 'abgeschaltet' war, als das Medikament wirkte.
Doch es wurde wieder 'angeschaltet'."
Bei der Untersuchung von insgesamt 32 CML-Patienten mit Rückfällen
nach einer Behandlung mit dem neuen Medikament wurden insgesamt 15
Mutationen an dem Bcr-Abl-Enzym entdeckt, das es offenbar für den
Wirkstoff unerreichbar machte. Wahrscheinlich schränken dieser
Mutationen die Beweglichkeit des Enzyms ein. Diese Flexibilität ist
für die Wirkung des Medikaments notwendig.
Wahrscheinlich handelt es sich bei den Glivec-Resistenzen unter
CML-Patienten laut den Wissenschaftern um eine durch
Selektionsprozesse entstehende "klonale" Unempfindlichkeit: Auch bei
der wirksamen Therapie überlegen einige wenige bösartige Zellen, die
einfach durch Zufalls-Mutationen vor dem Wirkstoff geschützt sind und
vermehren sich schließlich. (APA)