Bundessprecher der Zivildiener sieht im Rückgang der Zivildiener die "Auswirkungen der schwarz-blauen Sparpolitik"
Redaktion
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Wien - "Der Zivildienst wird ausgehungert", stellte der
Bundessprecher der Plattform für Zivildienst, Florian Seidl, am
Freitag angesichts des am Donnerstag veröffentlichten Berichtes über
den Zivildienst 1998-2001 fest. Der Bericht dokumentiere die
Auswirkungen der schwarz-blauen Sparpolitik auf den sozialen Sektor.
Es gebe nicht nur weniger Zivildiener, sie müssten auch noch mit
deutlich weniger Geld als früher auskommen, so Seidl in einer
Aussendung.
Der Bericht verschweige die "traurige Wahrheit, dass der
überwiegende Teil der Zivildiener jetzt neben dem Zivildienst auch
noch arbeiten und/oder Schulden machen muss - wenn nicht die Eltern
einspringen -, um sich überhaupt die zwölf Monate Zivildienst leisten
zu können", erklärte Seidl. So habe "Ex-Kollege (Ernst) Strasser",
der Innenminister, zu seiner Zivi-Zeit rund 580 Euro (das waren 8.000
S) im Monat gehabt. "Die Kollegen von heute müssen mit der Hälfte und
weniger auskommen."
Die Situation beim Verpflegungsgeld sei "prekär": Die nun
zuständigen Einrichtungen müssten "angemessen" verpflegen, seien aber
an keine verpflichtenden Beträge gebunden. Der Verfassungsgerichtshof
(VfGH) habe schon mehrmals festgestellt, dass 11,30 Euro pro Tag die
Untergrenze an Verpflegungsgeld seien. Derzeit seien beim
Zivildienstrat im Innenministerium mehr als 500 Beschwerden von
Zivildienern bekannt, die weniger bekommen, berichtete Seidl.
Maislinger sieht steigendes Interesse am Auslandsdienst
Auch wenn die Zahl der Auslandsdiener im Jahr 2001
rückläufig war (128 nach 144 im Jahr davor), sieht Andreas Maislinger
vom Verein für Dienste im Ausland steigendes Interesse der jungen
Männer an dieser Art des Zivildienstes. Sein Verein hatte im Jahr
2001 mit 48 Auslandsdienern einen "absoluten Höchststand". Nach wie
vor kämen - obwohl der Verein am 1. September sein zehnjähriges
Jubiläum feiert - viele Anfragen aus dem Ausland. Auch heuer seien
sechs Partnerorganisationen neu zugelassen worden, zuletzt eine
Organisation für Roma in Budapest.
Dass die Zahl der Auslandsdiener 2001 sank, führt Maislinger auf
Irritationen nach "Falschmeldungen" zurück, dass die Regierung den
Auslandsdienst nicht mehr finanziere. Zwar habe es Kürzungen gegeben,
aber sein Verein habe sich auch um andere Formen der Finanzierung
gekümmert. So gebe es heute vier Säulen: Den durch den vom Innen- und
Finanzministerium gespeisten Förderfonds, die Privatfinanzierung
durch den Auslandsdiener selbst, die Finanzierung durch die
Organisation selbst und Sponsoren.
Finanzierungsprobleme habe es, so Maislinger, von Anfang an immer
gegeben. Der Anfang war der 1. September 1992, damals trat der erste
Auslandsdiener seinen Einsatz an. Damals gab es jährlich "vier bis
sechs, sieben" Gedenkdiener, "wir sind erstaunlich schnell
gewachsen", so Maislinger. Sein Verein hat heute 52
Partnerorganisationen im Ausland.
Bericht des Innenministeriums
Der alle drei Jahre vom Innenminister vorzulegende Bericht über den
Zivildienst für die Jahre 1999 bis 2001 zeigte, dass das Interesse am Zivildienst in den vergangenen
beiden Jahren deutlich gesunken ist. Die Zahl der Zivildiensterklärungen
hat sich von 1998 auf 2001 um 13,5 Prozent reduziert, das Verhältnis
Zivildiener gegenüber Tauglichkeitsfeststellungen ist von mehr als 22
Prozent auf 20,7 Prozent im Jahr 2001 gesunken. In den Jahren 2000 und 2001
wurden von der VP-FP-Regierung zwei Novellen mit Verschlechterungen
für die Zivildiener beschlossen; zuletzt wurde der Zivildienst an das
Rote Kreuz "ausgelagert".
Mit der Zivildienst-Novelle 2000 wurde der Anspruch auf
Verpflegung gestrichen und das Taggeld auf 43 Schilling (3,12 Euro)
gekürzt. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat bestätigt, dass diese
Novelle zu einem "unzulänglichen Versorgungsniveau der betroffenen
Zivildienstleistenden führte". Vor dem VfGH gehalten hat dann zwar
die Folge-Novelle vom November 2000, mit der geregelt wurde, dass die
Einrichtungen, die Zivildiener beschäftigen, für deren "angemessene"
Verpflegung zu sorgen haben. Von Seiten der Zivildiener wurde aber
immer wieder kritisiert, dass die Höhe der Entschädigung nicht
fixiert und nicht klar sei, wie ein Zivildiener seinen - wieder
eingeführten - Anspruch auf Verpflegung durchsetzen kann.
Durch Novelle vom Zivildienst abgehalten
Dass junge Männer durch die Novellen vom Zivildienst abgehalten
wurden, legt der Bericht nahe: 1999 ist das Interesse für den
Zivildienst gegenüber 1998 noch um 2,8 Prozent angestiegen, 2000 hat
es sich bereits um sechs Prozent, 2001 bereits um zehn Prozent
gegenüber dem jeweiligen Vorjahr reduziert.
Deutlich gesunken sind die Ausgaben des Bundes für den
Zivildienst. 1999 stiegen sie noch um 112,3 Mill. S auf 997,1 Mill. S
(72,5 Mill. Euro). Im Jahr 2000 gingen die Aufwendungen des
Innenministeriums um 202,3 Mill. S auf 794,8 Mill. zurück, und im
Jahr 2001 sanken sie nochmals um 332,2 Mill. S auf 462,5 Mill. S.
Keine großen Änderungen weist der Bericht bei den angebotenen
Zivildienstplätzen aus: Per 1. Jänner 1999 gab es 10.095 Plätze bei
775 anerkannten Einrichtungen, per 31. Dezember 2001 waren es 10.695
Plätze bei 829 Einrichtungen. Die meisten Zuweisungen erfolgten in
die "klassischen" Bereiche wie Rettung, Sozialhilfe oder
Krankenhäuser.
Auch weniger Auslandsdienst
Zuletzt rückläufig war die Zahl der jungen Männer, die
Auslandsdienst leisten. 1999 haben 135, 2000 144 und 2001 nur mehr
128 Zivildienstpflichtige einen Gedenk-, Sozial- oder Friedensdienst
im Ausland angetreten. Per 31. Dezember 2001 boten 21 Träger an 145
Einsatzstellen in 44 Ländern 469 Dienstplätze an.
Ministerium: Heuer "sattes Plus" bei Erklärungen
Im heurigen Jahr sei bisher ein deutlicher Zuwachs an
Zivildienst-Erklärungen festzustellen. "Damit ist die
Schlussfolgerung, dass die Novelle 2001 zu einem Rückgang an
Zivildienern geführt hat, eindeutig falsch", wurde am Freitag im
Innenministerium erklärt. Als "Erklärungsversuch" für den im Bericht
1998-2001 ausgewiesenen Einbruch im Jahr 2001 wurde genannt: Dies
könnten die Nachwirkungen der Novelle 2000, die man immer schon als
"Notmaßnahme" sah, gewesen sein - oder "reiner Zufall". (APA)
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