Was passiert in Graz an einem nassen Tag im Mai? Gegenfrage von Peter Cook auf den vorsichtigen Anstoß, wie er denn das kreative Potential der steirischen Landeshauptstadt einschätzen würde. Der britische Architekt, in den 60er Jahren Mitglied der innovativen Gruppe Archigram und jetzt Professor an der Bartlett School for Architecture, der zusammen mit Colin Fournier den Kunsthaus-Wettbewerb gewonnen hat, illustriert sein regnerisches Bild mit zwei Fakten: Die Konzentration an Künstlern in Wien sei möglicherweise höher als in Paris oder London. Und: Trotz des international hoch bewerteten Festivals sei Edinburgh als Stadt ziemlich konservativ geblieben.

Unterschwellige Hoffnung: Dass das Kunsthaus etwas bewegen könne in einer Region, die über eine enorme Lebensqualität verfüge. Denn das Weinland südlich von Graz erinnere tatsächlich sehr an Landstriche in der nördlichen Toskana. Mit der Gefahr, dass man sich zurücklehne wie in einem Sonnengürtel und nicht einmal mehr ausländische Zeitungen lese.

Peter Cook, der gerne Wiener Schnitzel isst und einen steirischen Wein dazu trinkt, hat sich für Graz nicht einfach irgendein Bauwerk ausgedacht. Der jahrelange Leiter des Londoner Institute for Contemporary Art blickt auf eine reiche Ausstellungserfahrung zurück. Inmitten eines Kunstmarkts, der zu den anspruchsvollsten der Welt gehört. Er und sein Partner Fournier hatten von Anfang an den Zweck des Gebäudes im Sinn - nicht nur ein Haus für Kunstausstellungen zu bauen, sondern viel Attraktivität für das Publikum zu schaffen: "Es wird ein Gebäude, das zu den Leuten spricht." Sogar diskursiv.

In seinem Vortrag in Alpbach hat Cook vom Grazer "bubble" gesprochen wie von einem blauen Fantasiewesen, das da über den Häusern sitzen wird. Als "Einspruch gegen mittelmäßige Architektur."

In unserem Gespräch schwärmt er vom öffentlichen Raum, der darunter entsteht, von den Rolltreppen, die das Publikum wie in einem Einkaufszentrum von einer Sphäre in die andere führen. Und von der Möglichkeit für die Ausstellungsmacher, sich selbst wie Architekten zu gerieren. "Die Menschen werden dieses Haus sehr mögen." Ansätze sieht er bereits - für die Entstehung eines Kultur-Grätzels auf dem linken Murufer. Auch das Haus der Architektur soll dorthin übersiedeln.

Über allem werde "die Nadel" schweben, Café und Aussichtsplattform zugleich, auf der die Besucher wie auf einer Schiffsreeling beobachten können, wie der Strom hinein- und hinausschwappt.

Angesichts der Widersprüchlichkeit einer Stadt, die sowohl von Universitäten als auch von der Autoproduktion geprägt sei, wundert sich Cook über die große Zahl an Architekten, die sie hervorbringt. Gemessen an der Bevölkerungszahl gebe es in Österreich überhaupt erstaunlich viele gute Architekten. "Liegt es am Verfolgungswahn der Österreicher? Liegt es am Bildungssystem?" Das Cook für ziemlich autoritär hält, während ihm das britische zu "nunny"-haft vorkommt. Er weiss es nicht genau. Er registriert dieses Übermaß an österreichischer Kreativität. Und man spürt seine Bewunderung.

Bei der Architektur-Biennale in Venedig Anfang September wird es eine große Präsentation des Grazer Projektes geben. []

Temporär Modern

Resümee der Alpbacher Architekturgespräche

Was hat der Städtebau im Dorf zu suchen? In einem Ensemble, das vor Tiroler Balkonen mit Pelargonien, Petunien und Nelken überquillt? Diskussionen über Zustand und Zukunft der Architektur sind dem Alltag von Alpbach genauso fremd wie Vorträge über Gentechnik oder Klonen. Die Schafe der Tiroler Bergwelt sind mit Dolly (noch) nicht verwandt.

Um diese Spannung, die das Europäische Forum jedes Jahr schafft, sichtbarer zu machen, bedarf es einiger Zeichen. Das neue Konferenzgebäude duckt sich zwar übermäßig stark in den Hang hinter dem Hotel Böglerhof. Aber es atmet in die Richtung, wohin Tiroler Architekten seit Jahrzehnten das Bauen in den Alpen treiben wollen. Dass diesmal zwischen Hotel und Konferenzzentrum ein temporärer Bedenk- und Kulturraum errichtet wurde, ist ein wichtiger Schritt. Alpbacher Moderne?

Volker Giencke hat mit seinen Studenten einen Raum aus Holz und weißer Verkleidung entworfen, dessen Schlichtheit mit der überladenen Tiroler Folklore kontrastiert, der aber auch einen Verwandten hat: Die alte Blockhütte neben dem Schilift. Der Kontext figuriert damit auch als Hintergrund für die Themen der Architekturgespräche, die seit 2001 vom Tiroler Großbüro ATP (Achammer, Tritthart & Partner), unterstützt von mehreren Sponsoren mit Swarovski an der Spitze, organisiert werden.

Die Vorträge selbst hatten heuer zwei Hauptthemen - am ersten Tag die Zukunft der Großstadt, am zweiten die Spannung zwischen Qualitätsarchitektur und "Marken" der Großindustrie, für die internationale "Stararchitekten" Bau-Events entwerfen. Wolf Prix von Coop Himmelb(l)au hielt sich aber nicht bei der Beschreibung der neuen Autowelt für BMW in München auf, sondern knüpfte bei der Hagia Sophia als "gebautem Himmel auf Erden" an, um (letztlich auch für sich selbst) festzuhalten: "Nur Stararchitekten können heutzutage etwas ändern.".

Essentieller, teilweise brillant waren wissenschaftliche Analysen wie die der Soziologin Martina Löw oder des Architekturtheoretikers Peter Hall - was treibt die Stadt architektonisch an, wie kann inmitten der Globalisierung lokale Qualität entstehen?

Die Schwäche des Programms lag bei zwei oder drei mißglückten Formaten. Möglicherweise hätte man dann auch verhindern können, dass Raimund Abraham den Saal verließ, weil man ihn mit einem deutschen Standesvertreter konfrontierte. Das war nicht seine Welt. Ein Diskurs zwischen Peter Cook und Abraham wäre die spannendere Lösung gewesen. Aber man kann für das nächste Jahr ja daraus lernen. (sp/DER STANDARD, Printausgabe, 24.8.2002)