Den Kritikern der schwarz-blauen Regierung ist dieser Tage verbale Verstärkung zugelaufen. Es handelt sich dabei zwar nur um einen Einzelkämpfer, aber er hat den Vorteil, dass er seine Pappenheimer kennt. Wenn er Zeugnis davon ablegt, dass die Regierung ihre im Zeichen der Wende gegebenen Versprechen im Zeichen der Wahlen nicht zu halten gedenkt, könnte das insofern besonderes Gewicht erhalten, als es keine Pflichtübung der Opposition, sondern die Herzensergießung des einzigen echten Vertreters der fleißigen und anständigen kleinen Leute ist. Könnte Gewicht haben - wenn Jörg Haider ernst zu nehmen wäre. Das anzunehmen besteht freilich wenig Grund. Was nun alles über den Zustand der Freiheitlichen durch die dankbaren Medien geistert, hat insofern seinen edlen Zweck, als es die wirklich lästige Affäre Gaugg aus dem kollektiven Gedächtnis einer dem Postenschacher abholden Bevölkerung in ein unterbewusstes Florida verdrängt. Der Rest ist abgestandene Luft im Blätterwald.Die FPÖ könnte sich spalten? Ach, wenn 's einen doch nur gruselte! Das ist zwar beabsichtigt, wenn Haider etwa über diese Möglichkeit sinniert mit dem Hinweis darauf, dass allein die Kärntner Abgeordneten im Nationalrat Klubstärke hätten. Aber Parteispaltungen haben in der Zweiten Republik Seltenheitswert, und die Erfolge, die Abspaltungen wie etwa Erwin Scharfs Linkssozialisten 1949, Franz Olahs Demokratisch-Fortschrittliche Partei 1965 oder Heide Schmidts Liberales Forum 1994 einfuhren, sind nicht ermutigend. Sie haben letztlich den Parteien, von denen sie sich trennten, nicht geschadet und sind selbst als Parteien untergegangen. Und auch jetzt ermuntern die Ergebnisse der Meinungsforschung nicht einmal Jörg Haider dazu, obwohl er sicher mit größerem Zulauf rechnen könnte als eine von wem auch immer geführte freiheitliche Konkurrenz - sofern eine solche überhaupt zu Wahlen anträte. Die FPÖ bleibt dem Lande schon als Ganzes erhalten, keine Angst. Bei einem Sonderparteitag werde er die Parteiführung wieder an sich reißen, hört man. Und einen solchen erklärte er auch schon für unabdingbar, sollte vom Versprechen einer Steuerreform 2003 abgegangen werden. Vielleicht fürchtet sich Wolfgang Schüssel davor, seine Vizekanzlerin wohl kaum. Sie hat Haider den Parteivorsitz schon angeboten - ein dubioses Angebot, hätte er doch dann auch als Spitzenkandidat in die Wahlen gehen und damit die Verantwortung für das abzusehende schlechte Abschneiden der FPÖ übernehmen müssen. Denn Parteivorsitz und Spitzenkandidatur könne man nicht trennen, das hat er selbst bei seinem Abgang in die einfache Parteimitgliedschaft gefordert. (Das kommt davon, wenn man ständig den Mund voll nimmt.) Und einen Sonderparteitag nur deshalb einberufen, um keine Steuerreform für 2003, aber ganz bestimmt, Ehrenwort, eine für 2004 zu beschließen, worüber sich in der von ihm geschaffenen Regierung ohnehin alle einig sind? Zugegeben, so viel Political Correctness, einen Parteitagsbeschluss nur durch einen anderen aufheben und nicht etwa durch einen Vorstandsbeschluss vom Tisch wischen zu lassen, hat etwas Rührendes in einer Partei, in der die Funktionäre ganzer Landesorganisationen auf Befehl von oben abgesetzt und ebenso willkürlich wieder eingesetzt werden. Aber wer wird das schon ernst nehmen? Für die Neukonstruktion der FPÖ ist nach den Wahlen, wenn sich die jetzige Parteispitze vertschüsst hat, noch immer Zeit. Dann soll er wieder Obmann sein. Als einfaches Parteimitglied kann er schließlich nicht gut Europas Rechte einen. Das braucht schon einen Führer. (DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.8.2002)