Wien - "Eigentlich", meint die Frau Strudl, "habe ich nichts gegen Haftentlassene." Wenn einer "eigentlich" sagt, folgt "aber". Ausnahmslos. Frau Strudl holt tief Luft: "Aber", sagt sie dann - und hört lange nicht mehr auf.Monika Strudl ist Wirtin. In Wien-Mariahilf betreibt sie das "Café Monic" auf der Gumpendorfer Straße. Ein typisches Café - und die Strudl-Geschichte vom "aber" nach dem "eigentlich" ist auch typisch. Nicht bloß für das Grätzel in Gumpendorf. Nicht nur für Mariahilf. Sicher für Wien. Wohl auch für Österreich. Und vermutlich für den Rest der Welt. Frau Strudl sammelt derzeit Unterschriften. Gegen ein Projekt des Vereins "Neustart" - bekannter als "Bewährungshilfe" - schräg vis-à-vis vom Café Monic. Ebendort soll im Frühjahr aus einem ehemaligen - derzeit leer stehenden - Postamt eine Beratungsstelle für Haftentlassene werden: Büros im ersten Stock, eine Fahrradwerkstatt im Erdgeschoß. Toll, meint Frau Strudl vom Café Monic. Prinzipiell. Wertvoll. Eigentlich. Begrüßens-und unterstützenswert. Im Grunde. Bloß: Hier, schräg vis-à-vis vom Café Monic, sei das unmöglich. Ab-so-lut-un-mög-lich. Rufzeichen. Wegen der Gefahren. Schließlich kommen da Kriminelle. Da weiß man ja nie. Das soziale Bündel Darum hat die Frau Strudl Angst. Ums Café. Um die Geschäfte. Um die Wohnungen. Um die Sicherheit der Bevölkerung. Die (also der Bezirk), meint Frau Strudl, schleppe ohnehin schon sein Bündel an sozialen Einrichtungen: Ganslwirt (Junkies), Rosa Lila Villa (Lesben und Schwule), Gruft (Obdachlose), Aids-Hilfe-Haus (HIV-Positive). Irgendwann sei der Ofen aus. Spätestens, wenn Exhäftlinge nach Mariahilf kommen. Das müsse man verstehen, meint die Frau Strudl. 400 Leute hätten das auch schon getan - und sich auf ihrer Unterschriftenliste eingetragen. Auch die Kronen Zeitung habe geschrieben (da sind dann die meisten Unterschriften gekommen). Und die Bezirks-ÖVP hat - danach - ein Flugblatt verschickt. In dem fragt man (gleich nach dem Lob für "jegliche Einrichtung, die der sozialen Wohlfahrt" dient), ob "ein Standplatz in unmittelbarer Nähe zum Ganslwirt sinnvoll ist, insbesondere vor dem Hintergrund der zum Teil durch Drogenkriminalität straffällig gewordenen Menschen." Nur die Bezirksvorsteherin (Renate Kaufmann, SP., Anm.), klagt Frau Strudl, die spiele beim Eigentlich-aber-Spiel nicht mit. "Die ist so eine soziale. Die will alle holen." Dennoch hofft Frau Strudl, dass der Hausbesitzer (eine große Versicherung) den Sozialarbeitern den Mietvertrag wieder aufkündigt. "Denn der Bezirk verträgt das nicht." Beim Verein Neustart seufzt man. Man kennt das Spiel. Zur Genüge. In Mariahilf hat es aber wenigstens eine Pointe: Bis vor kurzem fand die Haftentlassenenberatung in Mariahilf statt - daran habe sich nie jemand gestoßen. Zwischenzeitlich, bis zum Bezug der alten Post, sei man eben anderswohin ausgewichen.