Wie kann man nach dem Tod eines geliebten Menschen wieder ins Leben zurückfinden? Wie geht man mit den Erinnerungen, dem Versäumten, den Selbstvorwürfen um? Nicht gerade ein heiteres Thema, das sich Doris Dörrie für ihr schmales Werk ausgesucht hat, dafür eines, das für immer ein klassisches bleiben wird.Babette hat ihren Mann Fritz durch einen Verkehrsunfall auf Bali verloren. Florians Geliebter, ein Modeschöpfer ist an Krebs gestorben. Florian möchte zu Ehren seines toten Freundes eine Art Modeschau in memoriam mit seinen Lieblingskleidern machen. Deshalb sucht er die Kundin Babette auf, um sie zu bitten, ihm das blaue Kleid für die Modeschau zu leihen. So treffen zwei aufeinander, die mühsam versuchen, nach der eisigen Erstarrung der Trauer wieder zu sich zu kommen. Babette scheint Florian schon eine Schritt voraus; sie hat auf dem Friedhof einen joggenden Anästhesisten kennengelernt. Nur hat der trennungsgeschädigte Thomas noch massivere Probleme als Babette. Sex geht nur mit Viagra, Gefühle zeigen sowieso nicht. Er muss alles genau durchplanen, um seine Ängste zu bekämpfen und so rennt Babette vergeblich gegen seinen massiven Schutzwall an. "Zwei Patienten haben sich gefunden. Mit Gefühlen hat das nichts zu tun", registriert Babette illusionslos und doch kann sie Thomas nicht aus ihrem neuen Leben drängen. Florian hingegen ist der ideale schwule Freund, mit dem sie sich über Emotionen austauschen, verrückte Dinge tun oder zusammen Schönheitsmasken auftragen kann. Sie beschließen, eine Art Exorzismus zu wagen. Sie fliegen nach Mexiko, zum Fest der Toten, das mit ausgelassenen Feiern auf den Friedhöfen begangen wird... Dörrie erzählt gekonnt: mit Rückblenden, Briefen und Monologen entwickelt sie temporeich, wenngleich oft ein wenig zu glatt ihre Figuren. Dass es ihr gelingt, aus der eigentlich schrecklichen Verbrennungszeremonie auf Bali eine urkomische, groteske Situation zu machen, spricht jedoch für ihre schriftstellerische Potenz. Sie verzichtet auf alle Sentimentalitäten und bemühte deutsche Innerlichkeit. Dass Dörrie in diesem kleinen Roman wohl auch die emotionellen Erfahrungen nach dem Tod ihres Mannes bearbeitet, macht das Buch trotzdem nicht zur Selbsttherapie. Blau ist die Farbe der Hoffnung und davon gibt es hier immer noch genug. (Von Ingeborg Sperl/DER STANDARD, Printausgabe, 24.8.2002)