Zeit
Brok fordert Hegemonisierung der EU-Sicherheitspolitik
"Grenzen sind nicht Schutz vor Tätern, sondern Schutz für Täter"
Alpbach - Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001
in den USA sei eine Trennung zwischen äußerer und innerer
Sicherheitspolitik endgültig nicht mehr möglich. Diese Meinung
vertrat Elmar Brok, Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige
Angelegenheiten, Menschenrechte und gemeinsame Sicherheits- und
Verteidigungspolitik im Europaparlament, am Sonntagnachmittag im
Rahmen der Eröffnung des "Politischen Gesprächs" beim diesjährigen
Forum Alpbach. Auf Terroranschläge diesen Außmaßes könne es keine
nationale Antwort mehr geben, man müsse global reagieren. "Die
nationalstaatlichen Grenzen in Europa sind nicht mehr Schutz vor den
Tätern, sondern Schutz für die Täter", sagte Brok. Die Grenzen hätten ihre althergebrachten Funktionen verloren.
"Terroristen bereiten ein Attentat in einem Land vor und üben es in
einem anderen Staat aus", sagte Brok. Nach seiner Auffassung seien
die europäischen Nationalstaaten allesamt zu klein, um die
anstehenden Probleme allein in den Griff zu bekommen. "In vielen
Bereichen ist 'nationale Souveränität' in Europa nur noch eine
Worthülse", stellte der deutsche EU-Parlamentarier fest. "Souverän
ist für mich ist ein Staat aber nur dann, wenn er auch die
(militärische) Macht hat, diese zu beweisen." Dies sei in Europa aber
nur mit einem gemeinschaftlichen "Pool-System" möglich.
Primäre Voraussetzung für eine glaubwürdige europäische
Sicherheitspolitik sei eine "gemeinsame Sicht und gemeinsame
Sprache". "Es kann nicht sein, dass (Großbritanniens Premier Tony)
Blair dies sagt und (der deutsche Bundeskanzler Gerhard) Schröder
jenes sagt", kritisierte Brok. Erfolg könne nur ein gemeinsam
entwickelter Standpunkt haben.
Ein weiteres Prinzip einer effektiven gemeinsamen
Sicherheitspolitik in Europa müsse jenes der "coalition of the
willing" sein. Zwar müssten die Entscheidungen von allen EU-Ländern
getragen werden, doch es dürften nur jene Staaten Truppen entsenden
dürfen, deren nationale Parlamente zugestimmt hätten. Niemand dürfe
gezwungen werden, Soldaten in das Ausland zu entsenden, so der
EU-Parlamentarier.
Zu den USA, die wegen ihres aktuellen außenpolitischen Stils in
Europa zurzeit stark kritisiert werden, sagte Brok, dass der
Unilateralismus der Vereinigten Staaten zwar mit der Administration
unter George W. Bush zusammenhänge, doch einen guten Teil der Schuld
an dem spannungsgeladenen Verhältnis trage auch Europa. Der
EU-Abgeordnete erinnerte an den 2. Oktober 2001, als die NATO in der
Folge der Terroranschläge vom 11. September erstmals in ihrer
Geschichte den so genannten Bündnisfall ausrief. Diese "große Chance"
einer tatsächlich gemeinsamen Sicherheitspolitik der westlichen Welt
sei weitgehend ungenützt geblieben, beklagte Brok. "Die guten
Vorschläge, die damals von den amerikanischen und europäischen
Geheimdiensten gemeinsam formuliert wurden, sind mittlerweile im Sand
der europäischen Bürokratie-Systeme versickert."
An Österreich appellierte Brok zum Abschluss seines Vortrages beim
Forum Alpbach indirekt, seine Position zur NATO wieder zu überdenken.
"Es fragt sich, ob es nicht einmal nötig und sinnvoll sein wird, dass
alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch wirklich den
gleichen Sicherheitsstandard aufweisen." (APA)