STANDARD:
Die Banken sagen, das Fondsgeschäft sei tot. In Österreich müssen zwar keine Fonds zusperren, Anleger haben die Reste ihres Ersparten kaum abgezogen. Neues Geld fließt aber auf Sparbücher und in Bausparverträge. Was sollen denn die Privaten jetzt tun, wo ist der Ausweg? Denn dass die Verluste der vergangenen zwei Jahre im heurigen Herbst aufzuholen sind, kann ja nicht stimmen.
Howard Luder:
Wir haben ein psychologisches Problem, das heißt Resignation. Die Leute glauben derzeit nicht, dass Geldverdienen mit Aktien noch geht. Deswegen investieren sie jetzt nicht oder bleiben in Anleihen oder in Cash - nächstes Jahr gehen die Börsen dann nach oben und es wird große Enttäuschung geben, dass Kleinanleger beim Aufschwung wieder nicht rechtzeitig dabei waren.
STANDARD:
Mit dem Wissen um die Verluste weiterhin zu investieren ist ja auch sehr schwierig . . .
Luder:
Darum geht es jetzt auch nicht vorrangig. Es geht jetzt nicht darum, neue Fonds zu kaufen, sondern die Vermögensplanung strategisch anzugehen. Gerade jetzt ist die Zeit für Neupositionierungen, für intensive Gespräche mit dem Berater, für das Erstellen von Gesamtkonzepten. Im Zentrum muss die Verpflichtungsrechnung des Privaten stehen: Wie viel Geld ist für welche Zwecke und zu welchem Zeitpunkt notwendig, wie viel kann ich sparen, welche Ziele habe ich. Diese zentrale Abklärung der Bedürfnisse vermisse ich weitgehend. Gelderfolg ist ja kein Zufall, sondern Strategie.
STANDARD:
In Deutschland fließen Milliarden an neuem Geld in Immobilienfonds, die zwar keine hohen, dafür aber sichere Renditen versprechen - halten Sie das etwa für strategisch unüberlegt?
Luder:
Die Leute investieren derzeit wie bei einer Autofahrt mit dem Blick in den Rückspiegel. Das ist Teil des psychologischen Problems. Die Immobilienfonds in Deutschland haben jetzt so gewaltige Zuflüsse - im ersten Halbjahr waren das über zehn Milliarden Euro -, dass sie 50 Prozent Cash halten, weil sie die Gelder nicht anlegen können.
STANDARD:
Also geht es wieder um die Geduld, einem aktiven Aktienfondsmanagement weiter zu vertrauen?
Luder:
Prinzipiell ja. Aber das Wie ist individuell. Wenn ich heute schon in der Rente bin, dann nehme ich vielleicht gar kein Aktienrisiko mehr, weil es lange Jahre dauert, bis die höhere Rendite bei Aktien ihr Risiko ausgleichen kann. Der Mix aus niedrigen Renditen mit niedrigem Risiko (Anleihen) und besseren Renditen mit mehr Risiko (Aktien) sind persönliche Fragen.
STANDARD:
Und die Angst vor einer weiteren Rezession oder einer langen, sehr flachen Konjunkturkurve? Mehr als Seitwärtsbewegung darf man sich heuer doch nicht erwarten, oder?
Luder:
Möglich, dass sogar noch einige Schockwellen - etwa ein Krieg gegen den Irak - die Märkte treffen. Wie groß die Verunsicherung noch ist, zeigt ja der Umstand, dass es unter den Analysten kaum Konsens gibt. Ob wir jetzt schon den Boden gefunden haben, wissen wir sowieso erst im Nachhinein. Aber selbst Rezession heißt ja nicht unbedingt schlechte Aktienperformance. Immobilien, Pharma und Konsumgüter haben sich etwa in den vergangenen Monaten sehr gut entwickelt. Zuvor haben zyklische Werte zugelegt.
STANDARD:
Und der Vertrauensverlust in Ihrer ganzen Branche?
Luder:
Die strengeren Vorschriften in den USA sind ein Schritt in die richtige Richtung, es wird besser - wie die Konjunktur -, allerdings langsam. Vermutlich verabschieden sich viele Private vom Geldanlegen in Eigenregie.
STANDARD:
Dann müssen aber auch die Berater anders agieren, dann sollten die Banken nicht bloß Fonds verkaufen, sondern Anlagestrategien.
Luder:
Es ist ein Problem, dass jetzt das große Schweigen herrscht. Kein Berater traut sich an den Kunden heran. Da fehlt sicher ein fundiertes Kommunikationskonzept - nur Eigenverantwortung in der Verpflichtungsrechnung - die Konzerne nennen das Asset-Liability-Management - bleibt keinem Privaten erspart. Eigenregie ist aber sowieso gefährlich - Private stehen immer hintan, Broker kümmern sich zuerst um ihre großen Kunden. Kaufen können Private vielleicht rechtzeitig, verkaufen praktisch nie. Außerdem braucht es dazu viel Zeit, Technologie und eine Disziplin, die neben einem normalen Leben kaum durchzuhalten ist. (Karin Bauer/DER STANDARD, Printausgabe, 26.8.2002)