Gmunden - Der eine: Literat, Ende zwanzig und gerade dabei, seine avantgardistischen Lehr- und Wanderjahre zu absolvieren. Der andere: fast gleichaltriger Komponist, kunstsinniger Mäzen und Besitzer des Landgutes "Tonhof" im kärntnerischen Maria Saal.

Die Hassliebe zwischen Thomas Bernhard und Gerhard Lampersberg nahm Ende der Fünfzigerjahre ihren Anfang und erreichte viele Jahre später, als der Dichter 1984 im Roman Holzfällen mit seinem ehemaligen Freund und Gönner bitter abrechnete, ihren Höhepunkt. Diese "Erregung" entfaltete sich bekanntlich zu einem mehraktigen Dramolett österreichischer Kultur- und Justizgeschichte. Weniger bekannt ist, dass es sich Lampersberg nicht nehmen ließ, 1987 in seinem Buch Perturbation dem ehemaligen Schützling literarisch zu antworten.

Doch jene Zeit in Maria Saal, die Bernhard später als "Spassettln, noch bevor der Verstand einsetzte" abtat, muss für beide Künstler immerhin eine unbeschwerte und vor allem fruchtbare gewesen sein. Im Privatissimum des "Tonhofs" (wo neben Bernhard noch zahlreiche andere österreichische Künstler verkehrten) wurde experimentierfreudig Theater gespielt und musiziert.

Nicht nur die Zauberflöte wurde am Klavier gegeben (immerhin mit des Schriftstellers Einstand als Pamina!), sondern auch mehrere Kurzopern von Lampersberg nach Textvorlagen des Freundes, darunter die rosen der einöde und köpfe. Aus gegebenem Anlass (Lampersberg verstarb im Mai dieses Jahres) entschloss man sich nun bei den Festwochen Gmunden, die letztjährige halbszenische Produktion der rosen von Hans Gratzer wiederaufzunehmen und mit der österreichischen Erstaufführung der köpfe zu kombinieren. Der aus Kiev stammende Kirill Karabits hat beide Werke für ein achtköpfiges Kammerensemble bearbeitet.

Bernhard selbst bezeichnete die rosen der einöde als "fünf Sätze für Ballett, Stimmen und Orchester". Um "Oper" im strengen Sinne ging es dabei weder dem Dichter noch dem Komponisten, aber genauso wenig um deren Parodie. Denn dafür sind Bernhards "Libretti" von zu beklemmend suggestiver Atmosphäre. Dialoge finden kaum statt, die einzelnen Figuren (Soli wie Chor) sprechen und singen a parte und sinnieren - wie etwa im Abschnitt der kartenspieler in den rosen - isoliert und ihrer Persönlichkeit beraubt über ihre scheinbar ohnmächtigen Befindlichkeiten.

Bernhards sprachliche Reduktionstechnik ("eins/zwei/ drei/vier/augen/du/he/du/ ich") musste einem strengen Zwölftöner wie Lampersberg entgegenkommen. Er erfindet vollständige Zwölftonreihen mit extremen Intervallsprüngen, fern jeglichen Schöngesangs, gleichsam karge Klanginseln, die auf kurzes Aufbäumen und verebbendes Abklingen bedacht sind. An die Choreuten der antiken Tragödie erinnern die streng rhythmisierten declamati des Sprechchores.

Lampersbergs musikalische Verfahrensweise entwickelt dort ihre stärkste Kraft, wo sie - wie in den köpfen - ähnlich einem spitzen Bohrer in die kleinsten Parzellen der vom Text aufgerissenen Wunden dringt. Das von Kirill Karabits geleitete Sänger- und Instrumentalensemble (von Barbara Naujok allesamt in weiß gewandet) agierte im vollbesetzten Toscana Congress hervorragend disponiert. Bedauerlich nur, dass diese hörens-und sehenswerten Experimentieropern bloß einmal angesetzt wurden. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.8.2002)