Ein Hauptthema beim TV-Duell Schröder - Stoiber war die Frage, ob sich Deutschland an einem Krieg der USA gegen den Irak beteiligen soll/muss. Das sagt etwas über Deutschland (noch vor zehn Jahren war der Gedanke absurd), aber es sagt noch mehr über die USA und ihre Stellung in der Welt. Wir reden hier über einen möglichen Präventivkrieg, gegen ein überaus übles Regime, das eine potenzielle Bedrohung der Sicherheit der USA und ihrer Verbündeten darstellt. An der Entscheidung über diesen Krieg hängt sehr viel, auch die Frage nach dem Wesen der Supermacht USA selbst. Die Macht der USA ist ohne Beispiel in der Geschichte und wird es ziemlich lange bleiben. Am Irak entscheidet sich möglicherweise, ob die USA eine verantwortungsvolle Supermacht sind oder bleiben werden. Das neue Element in der Situation liegt in der neuen Sicherheitsdoktrin der Regierung Bush: Ab nun ist nicht mehr die reine Abschreckung, wie gegenüber der Sowjetunion im Kalten Krieg, das Mittel, mit dem Sicherheit für die USA (und ihre Verbündeten) erzeugt werden soll, sondern präventives Zuschlagen, wenn von terroristischen Gruppen und/oder Schurkenstaaten eine Gefahr ausgeht. Dieser Beschluss ist natürlich eine Folge des 11. September 2001, dessen Jahrestag nun ansteht. Er ist aber genauso auch Ausdruck des Denkens einer neuen konservativen Machtelite in der Regierung Bush, die zutiefst davon überzeugt ist, dass die USA überall auf der Welt eingreifen dürfen - und sollen -, um Zustände herzustellen, die sie für richtig halten. Dieses Denken wiederum ist eingebettet in einen breiten Konsensus der amerikanischen Gesellschaft: Unsere Werte sollten im Großen und Ganzen Vorbild und damit auch verbindlich sein für die ganze Welt - zu deren eigenem Nutzen. Das Problem dabei ist ja, dass genau dieses Denken den 11. September ausgelöst hat. Nicht Armut und der Wunsch nach "Gerechtigkeit" trieben Osama Bin Laden und seine Helfer aus der mittelständischen arabischen Intelligenz an, sondern der Hass auf ein überlegenes Modell. Osama wollte das Eindringen der offenen Gesellschaft in seine erträumte Gottesdiktatur bekämpfen. Aber das ändert nichts daran, dass man fragen muss, ob die USA mit ihrer singulären Rolle verantwortlich umgehen. Ist Washington das neue Rom? Das wird derzeit In der globalisierten politisch-publizistischen Klasse diskutiert. Die Ähnlichkeiten sind da: Das römische Imperium beherrschte die (damals bekannte) Welt mit Überlegenheit in Militär-und sonstiger Technik, staatlicher Organisation und zivilisatorischen Errungenschaften vom Rechtssystem bis zur Wasserversorgung. In einem Imperium gibt es allerdings immer auch einen Imperator, der absolut herrscht, auch mit ungeheurer Brutalität. Das ist George W. Bush nun bei Gott nicht. Das ist kein US-Präsident. Kein Präsident kann gegen den Kongress, gegen die öffentliche Meinung, aber auch gegen die Meinung der wichtigsten Verbündeten Krieg führen oder auch nur ungestraft Schutzzölle einführen. Und gerade am Irak-Krieg zeigt sich jetzt, dass "Imperator" Bush die wachsenden Bedenken einer breiten Skepsis-Front im In-und Ausland berücksichtigen muss. Das "amerikanische Imperium" ist eine Metapher, die nicht genau passt. Aber auch so ist die schiere Macht oder eher das Kraftpotenzial und der Wille, es einzusetzen, so groß, dass es Staunen, Bewunderung - und Hass - erzeugt. Wie die Welt mit diesem dynamischen Koloss umgeht und wohin er sich selbst entwickelt, ist das Thema der nächsten Kolumnen. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.8.2002)