Wien - "Rechtsbruch durch die Republik Österreich": Unter diesem Betreff stellen die Grünen Anfragen an Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, warum das passive Wahlrecht für Arbeitsmigrantinnen und -migranten trotz mehrfacher Aufforderungen durch EU und UNO noch immer nicht realisiert ist.Das jüngste Urteil stammt von der UNO-Menschenrechtskommission vom April dieses Jahres. Die Regierung wird darin aufgefordert, Stellung zu nehmen und die entsprechenden Gesetze zu novellieren. Habe sie aber bis heute nicht, kritisiert der Sozialsprecher der Grünen, Karl Öllinger. Wie ihre SP-VP-Vorgängerin ignoriere auch die jetzige Regierung alle Urteile zum passiven Wahlrecht für Ausländer bei Arbeiterkammer- und Betriebsratswahlen. Hintergrund ist die Klage eines türkischen Staatsbürgers, der 1993 in Linz zum Betriebsrat gewählt worden war. Ein Kollege des Mannes klagte ein Jahr später auf Aberkennung des Betriebsratsmandats und bekam vom Landesgericht Linz bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Recht, dass Ausländer nicht zum Betriebsrat gewählt werden dürfen. Falsch, sagte jetzt die UNO, dies verstoße gegen die zivilen und politischen Rechte. Öllinger fordert endlich Maßnahmen: "Faktum ist, es geht nichts weiter, weil die Regierung sagt, es laufen eh Verfahren. Das ist keine politische Haltung, das ist katastrophal." Seit 2001 läuft bei der EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen fehlenden passiven Wahlrechts für Nicht-EWR-Staatsbürger zu Betriebsrats- und AK-Wahlen. Die Regierung wolle nur "Zeit gewinnen und dann der EU die Verantwortung für das passive Wahlrecht für Ausländer anhängen", mutmaßt Öllinger. (nim/DER STANDARD, Printausgabe, 28.8.2002)