Bühne
"Theater des Jahres"
Kritiker-Umfrage kürte das finanziell schwer gebeutelte Schauspielhaus Zürich zur besten Bühne - Harald Schmidt wurde zum "Nachwuchsschauspieler des Jahres"
Berlin - Das Schauspielhaus in Zürich unter seinem
Intendanten Christoph Marthaler ist zum zweiten Mal in Folge zum
"Theater des Jahres" gewählt worden. Als beste Schauspieler wurden in
der alljährlichen Kritiker-Umfrage der Zeitschrift "Theater heute"
Dagmar Manzel aus Berlin und André Jung aus Zürich gekürt. "Regisseur
des Jahres" ist zum vierten Mal Frank Castorf, der Intendant der
Berliner Volksbühne. Er überzeugte die Juroren mit seiner
Dostojewski-Adaption "Erniedrigte und Beleidigte". Als "Ärgernis des
Jahres" bezeichnen die 39 befragten Kritiker in dem am Donnerstag
veröffentlichten "Theater heute"-Jahrbuch die "kopf- und konturlose"
Kulturpolitik.Schauspielhaus klar durchgesetzt
Marthalers von finanziellen Schwierigkeiten gebeuteltes Zürcher
Schauspielhaus setzte sich mit klar gegenüber der Berliner Volksbühne (Platz 2)und dem Schauspielhaus Bochum, dem Schauspiel
Hannover sowie dem Deutschen Theater in Berlin (jeweils Platz 3) durch.
Schwierige Zeiten für Marthaler
Marthaler hat in Zürich eine turbulente Spielzeit hinter sich.
Sein eigenwilliger Spielplan führte zu scharfer Kritik und
Publikumsschwund, der Bau einer neuer Spielstätte zu finanziellen
Problemen. In einer Volksabstimmung billigte die Zürcher Bevölkerung
Anfang Juni nur mit knapper Mehrheit höhere Subventionen für das
Theater. Der Intendant, dessen Vertrag noch bis zum Sommer 2005
läuft, muss jetzt dennoch drastisch sparen. Unter anderem wird die
Spielzeit verkürzt.
"Natürlich macht es schizophren, wenn man in einer reichen Stadt
arbeitet und grundsätzlich zu wenig Geld hat", sagte Marthaler in
einem Interview von "Theater heute". "Eine Stadt, in der man eine
Volksabstimmung gewinnen muss, um die Schließung zu verhindern.
Schön, dass man sie gewinnt, aber es ist trotzdem nicht genug. Man
ist umgeben von Geld und hat bei weitem nicht ausreichende Mittel."
Harald Schmidt der "Nachwuchsschauspieler des Jahres"
Der Fernseh-Unterhalter Harald Schmidt wurde für seine
darstellerische Leistung in Matthias Hartmanns Inszenierung von
Becketts "Warten auf Godot" in Bochum zum "Nachwuchsschauspieler des
Jahres" gewählt. Die Ehrung als beste Nachwuchsschauspielerinnen
teilen sich Bettina Stucky und Paula Dombrowski vom Schauspielhaus in
Zürich sowie Julia Jentsch von den Münchner Kammerspielen. Zum
"Nachwuchsregisseur des Jahres" wurde der am Basler Theater
arbeitende Sebastian Nübling gewählt.
Weitere Preise
Bester deutschsprachiger Dramatiker wurde René Pollesch für seine
an der Berliner Volksbühne entstandene "Prater-Trilogie". Bester
ausländischer Dramatiker ist der Kritiker-Umfrage zufolge der
Norweger Jon Fosse, der auf deutschsprachigen Bühnen unter anderem
mit Stücken wie "Traum im Herbst" und Winter" vertreten war. Der
"Bühnenbildner des Jahres" kommt von der Berliner Volksbühne: Er
heißt zum dritten Mal Bert Neumann und überzeugte die Kritiker unter
anderem mit seinem Bühnenbild Bungalow für Castorfs Inszenierung
"Erniedrigte und Beleidigte". (APA/dpa)