Irak
Politischer Druck versus Militäraktion
Differenzen zwischen EU und USA werden immer größer
London - Der Graben zwischen den USA und der
Europäischen Union im Irak-Konflikt ist noch deutlicher geworden.
Großbritannien zog ein Ultimatum in Erwägung, um Bagdad zur
Fortsetzung der UNO-Waffeninspektionen zu zwingen. Dabei ist diese
Frage für die USA nach Informationen aus Regierungskreisen in
Washington längst zur Nebensache geworden. Der irakische Staatschef
Saddam Hussein könne nichts mehr tun, um seinen Sturz abzuwenden,
hieß es. Das britische Außenministerium reagierte auf eine Empfehlung
des außenpolitischen Parlamentsausschusses vom Juni, der irakischen
Führung noch einmal einen Termin für die Wiederzulassung von
Waffeninspektoren zu setzen. Unklar blieb zunächst, warum das Foreign
Office acht Wochen gewartet hat, um auf die Empfehlung zu reagieren.EU-Position: Politischer Druck
Die EU ist sich weitgehend einig, dass der irakische Präsident mit
politischem und militärischem Druck gezwungen werden muss, die
UNO-Resolutionen einzuhalten, die eine Vernichtung seiner
Massenvernichtungswaffen ebenso verlangen wie eine Überprüfung dieser
Vernichtung. Von vielen EU-Staaten werden jedoch die Pläne der USA
abgelehnt, Saddam Hussein durch einen Krieg zu stürzen. Deutschland
lehne "diese Zieländerung" der USA ab und werde sich daran nicht
beteiligen, hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärt. Auch die
Opposition unter CDU/CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber nahm im
Wahlkampf einen Kurswechsel vor und äußerte Kritik an dem Vorhaben
der US-Regierung.
USA: Sadam ist Bedrohung für die Region
Washingtoner Regierungskreise bestätigten, dass die US-Führung
einen Regierungswechsel im Irak wolle, unabhängig davon, ob die
UNO-Waffeninspektoren wieder einreisen dürften oder nicht. "Das
Argument für einen Regiemewechsel umfasst mehr als nur
Massenvernichtungswaffen", hieß es. Saddam unterstütze Terroristen
und sei eine Bedrohung für die Region.
Waffeninspetoren
Offenbar versucht nun die Europäische Union, das Problem der
Waffeninspektionen wieder in den Vordergrund zu rücken. Belgiens
Außenminister Louis Michel sagte der Tageszeitung "De Standaard":
"Die EU sollte gegenüber Bagdad die Initiative ergreifen und sehr
deutlich sagen: Sie setzen schnell und vollständig die
UNO-Resolutionen um, oder sie werden mit ihren Problemen alleine
dastehen." Auf die Frage nach einer weiteren irakischen Weigerung
sagte Michel, dann werde es Europa sehr schwer fallen, einen
vorbeugenden Militärschlag der USA weiter abzulehnen.
Dieses Thema dürfte auch die informellen Beratungen der
EU-Außenminister bestimmen, die am Freitag und Samstag in Helsingör
in Dänemark zusammenkommen. Diplomaten äußerten sich zurückhaltend
auf die Frage, ob die 15 EU-Staaten eine gemeinsame Linie zum
Irak-Problem finden können. "Es ist ziemlich offen, wie diese
Diskussion aussehen wird", sagte ein Diplomat. "Die EU-Staaten sind
sich einig, dass UNO-Waffeninspektoren in den Irak zurückkehren
müssen", sagte ein anderer Diplomat und beschrieb damit den bekannten
Konsens.
Kritik in den USA
Kritische Stellungnahmen gibt es aber auch in den USA zu den
Plänen des Präsidenten. Im US-Kongress mehren sich die Stimmen, die
von Präsident George W. Bush eine Klarstellung über seine Absichten
und die Auswirkungen für die nationale Sicherheit verlangen. Senator
John Warner (Republikaner) forderte den Vorsitzenden des
Streitkräfteausschusses des Senats, Carl Levin (Demokrat) auf,
Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vor den Ausschuss zu zitieren.
Er verlangte eine Reihe von Anhörungen, "um die nationalen
Sicherheitsaspekte einer Militäraktion gegen den Irak zu erkunden".
Warner erklärte, der Kongress sollte in den Entscheidungsprozess
eingebunden werden, auch wenn Bush für einen Militärschlag gegen den
Irak formal keine Zustimmung benötige. Auch der Außenpolitische
Ausschuss des Repräsentantenhauses sieht Klärungsbedarf und will
Anhörungen vornehmen, wenn der Kongress nächste Woche aus der
Sommerpause zurückkehrt.
(APA/Reuters)