Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/ EPA/ Karim Sahib
Bagdad - Die fast fünf Millionen Einwohner Bagdads gehen zu Bett, erwachen und leben mit dem Gedanken an einen US-Angriff. Sie sind überzeugt, dass nun nach Jahren von Repression und Leid eine Wende bevorsteht. Aber die Sorge überwiegt - weil die Menschen nicht die geringste Idee davon haben, was die Zukunft für sie bereit hält. Man versucht, sich irgendwie vorzubereiten. Harte Währungen, vor allem Dollar, sind in Bagdad nur mehr schwer zu finden, da die reicheren Familien hektisch versuchen, ihre geheimen Geldsummen in der nationalen Währung, dem Dinar, loszuwerden. Goldschmuck ist von den bisher gut bestückten Juwelierläden fast verschwunden. Auch Mitglieder der umfangreichen Familie Saddam Husseins schließen sich dem Sturm auf Dollars und Gold an. Sie wissen, sie werden die größten Verlierer sein. Es wird berichtet, dass Saddams Verwandte, die großen Reichtum angehäuft haben, jetzt ihre Besitztümer verkaufen. Clanmitglieder sollen sogar Namen und Adressen wechseln. In einer geheimen Familiensitzung soll der Präsident bereits versucht haben, seine Familie zu beruhigen. Derweil rollt eine Säuberungswelle nach der anderen durch die Institutionen, besonders die Baath-Partei. Die Parteiorganisation hat Tausende Parteimitglieder entwaffnet, die unter dem Verdacht der Illoyalität stehen. Gleichzeitig werden Bonusse - in Form von Geld und Land - und Privilegien für Getreue erhöht. Die Angst Saddams, dass sich auch Parteimitglieder gegen ihn wenden, wenn es losgeht, ist groß. Die Zahl der Baathisten, die sich weigern, bei Parteitreffen zu erscheinen oder sich paramilitärischen Aktivitäten anzuschließen, steigt. Auch der Armee laufen die Soldaten reihenweise weg. In ihrer Panik verlassen viele Familien die Hauptstadt und ziehen in Dörfer und Städte in den Provinzen - trotz des Verbots, Besitztümer und Möbel von Bagdad wegzubringen. In Bagdad heißt es, dass Saddam die Verlegung von strategisch wichtiger Ausrüstung an unbekannte Orte angeordnet hat, lange Konvois von Lastwagen verlassen die Stadt beinahe täglich. Ganze Fabriken werden angeblich von Maschinen und Lagern leer geräumt. Wie jeden Sommer leiden die Bagdader unter Stromausfällen, die bis zu zehn Stunden täglich dauern. Es heißt, dass auch Kraftwerke abgebaut werden, um die Einzelteile zerlegt und versteckt vor der Zerstörung zu bewahren. Die Straßen, die in die Hauptstadt führen, sind gesäumt mit Kontrollposten, angeblich werden auch schon Gräben und Stacheldrahtzäune um gewisse Objekte und an der Stadtgrenze gezogen. (Iraq Press News/DER STANDARD, Printausgabe, 30.8.2002)