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Foto: Reuters/ KEVIN LAMARQUE
München - In die "Höhle des Löwen" habe er sich gewagt, wurde Bundeskanzler Gerhard Schröder auf dem Münchner Marienplatz angekündigt. Bei seinem Auftritt am Mittwochabend vor 15.000 Zuhörern erwähnte Schröder aber seinen Herausforderer, Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber, nur kurz. Stattdessen überraschte der deutsche Regierungschef mit Angriffen gegen die USA in bisher nie da gewesener Schärfe: Die Intervention gegen den Irak sei ein schwerer Fehler, so Schröder. "Freundschaft heißt nicht, Unterordnung unter den Willen des Freundes. Freundschaft heißt, selbstbewusst und ohne Überheblichkeit das zu benennen, was uns nicht passt. Unter meiner Führung wird es eine deutsche Beteiligung bei einem Angriff auf den Irak nicht geben", sagte der SPD-Politiker und erhielt tosenden Beifall. Der deutsche Regierungschef griff die Bush-Regierung auch wegen ihrer Weigerung, das Protokoll von Kioto zur Reduktion des CO-Ausstoßes zu unterzeichnen, an: "Den amerikanischen Freunden rate ich, lasst uns weniger über militärische Interventionen, dafür viel mehr über den Beitritt zum Kioto-Protokoll reden." Damit nicht genug, stellte er die USA auch im wirtschaftlichen Bereich als schlechtes Vorbild hin: "Was da an falscher Haltung und Orientierung aus Amerika zu uns herüberschwappt, davor kann ich nur warnen." Die betriebliche Mitbestimmung und der hohe Sozialstandard habe Deutschland gestärkt, nicht geschwächt. Seinen eigentlichen Wahlkampfgegner Stoiber erwähnte Schröder nur einmal und verband dies mit Spott. "Stoiber und Co wollen in die Zeit von Filzpantoffel und Strickjacke zurück." Deren Personal sei schon aus der Kohl-Ära bekannt. "Es fehlt nur noch, dass sie Helmut Kohl als Jugendminister nominieren." Damit provozierte Schröder zum einzigen Mal Lachsalven. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.8.2002)