Gaza/Jerusalem - Im Konflikt zwischen Israel und den
Palästinensern droht eine neue Eskalation der Gewalt. Israelische
Soldaten töteten in der Nacht zum Donnerstag nahe bei der jüdischen
Siedlung Nezarim im Gazastreifen vier Mitglieder einer
Beduinen-Familie. Stunden später starb bei einer weiteren
Armeeoperation ein 13-Jähriger. Daraufhin schworen radikale
Palästinenser-Gruppen blutige Rache. Auch die Autonomiebehörde
verurteilte die Militäraktion und warnte vor einer neuen Eskalation
der Gewalt.
Die Vereinten Nationen warnten am Donnerstag vor einer
"menschlichen Katastrophe" in den Palästinensergebieten, falls die
strikte Belagerung und Besetzung im Westjordanland und im
Gazastreifen von Israel fortgesetzt werde.
Nach der tödlichen Militäroperation der israelischen Armee in der
Nacht zum Donnerstag sprach Palästinenserpräsident Yasser Arafat von
einem "vorsätzlichen Verbrechen, um die Friedensbemühungen der
internationalen Gemeinschaft zu unterlaufen". Der palästinensische
Innenminister Abdel Rezzak Yahia sagte nach dem Zwischenfall ein für
Donnerstag geplantes Gespräch mit Iraels Verteidigungsminister
Benjamin Ben-Eliezer ab. Dabei sollte es um die weitere Umsetzung des
so genannten Gaza-Bethlehem-Abkommens gehen, das einen israelischen
Truppenabzug aus diesen Gebieten und die Übernahme der
Sicherheitskontrollen durch die Palästinenser vorsieht. Ben-Eliezer
sprach inzwischen sein Bedauern über den Zwischenfall aus.
Nach palästinensischer Darstellung hatten israelische Panzer am
späten Mittwochabend bei Nezarim auf autonomem Gebiet mehrere Häuser
mit Granaten beschossen. Dabei wurden eine 50-jährige Frau, ihre zwei
Söhne und ein Neffe tödlich getroffen und vier weitere Personen
verletzt. Anschließend seien palästinensische Krankenwagen mit den
schwer Verletzten fast eine Stunde lang an der Fahrt ins Krankenhaus
gehindert worden. Nach israelischer Darstellung feuerten die Soldaten
dagegen auf eine Gruppe Palästinenser, die sich ihren Panzern
genähert hätten. Militante Palästinenser feuerten nach dem
Zwischenfall fünf Mörsergranaten auf jüdische Siedlungen in dem
Gebiet, die jedoch keinen Schaden anrichteten.
Gewalt
Ein Sprecher der Extremistengruppe Islamischer Dschihad drohte mit
einer "Bestrafung des Feindes". Er forderte die Autonomiebehörde auf,
die Kontakte zu Israel über eine Verringerung der Gewalt sofort zu
beenden. Auch die Hamas-Bewegung kündigte neue Anschläge an. Der Chef
der palästinensischen Sicherheitskräfte im Gazastreifen, General
Abdel Rezzak el Majaida, warf "bestimmten Armeekreisen" vor, die
jüngsten Vereinbarungen mit Israel über einen Abbau der Gewalt
bewusst untergraben zu wollen.
In der palästinensischen Grenzstadt Rafah im südlichen
Gazastreifen zerstörten Panzer erneut mehrere Häuser. Bei der Aktion
kam es zu Schießereien mit Palästinensern, bei denen nach
palästinensischen Angaben ein 13-Jähriger von Soldaten erschossen und
sieben weitere Jugendliche zum Teil schwer verletzt wurden. Panzer
drangen am Donnerstag auch bei Jenin im Westjordanland auf autonomes
Gebiet vor, wo sie Häuser, darunter auch Geschäfte und kleine
Fabriken, zerstörten. Mehrere Gebäude seien von den Israelis
gesprengt worden, berichteten Augenzeugen.
UNO warnt vor "menschlichen Katastrophen"
Inzwischen haben die Vereinten Nationen vor einer "menschlichen
Katastrophe" in den Palästinensergebieten gewarnt, falls dort die
Belagerung und Besetzung durch die israelische Armee weitergehe. Der
UNO-Sondergesandte Terje Roed-Larsen sagte bei der Vorlage einer
offiziellen Untersuchung über die Auswirkungen des fast zwei Jahre
alten Konfliktes auf die palästinensische Wirtschaft, zurzeit seien
bis zu 63 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung im Westjordanland
arbeitslos. Die Zahl der Armen liege bei bis zu 70 Prozent im
Gazastreifen und bei 50 Prozent im Westjordanland.
"Ich bin zutiefst über diese Daten beunruhigt" sagte Terje-Larsen
vor Journalisten. Allerdings sei er "angesichts des eisernen Griffs
Israels über das Westjordanland" nicht überrascht. Internationale
Wirtschaftshilfe könne zwar die Probleme nicht lösen, doch würde ohne
sie die palästinensische Wirtschaft zusammenbrechen. (APA/dpa)