Wien - "Keine Kompromisse" will Staatsoperndirektor Ioan Holender eingehen, wenn es um den eisernen Vorhang seines Hauses geht, Irritationen seien immer schon Teil der Kunst gewesen. Und deshalb hält er trotz langer Unterschriftenlisten und Protesten an dem vom Verein museum in progress konzipierten Projekt fest: Seit 1998 gestaltete für je eine Opernsaison ein renommierter internationaler Kunstschaffender die mittels Magnetsystem angebrachte Bühnen-Brandschutzwand. Die Künstlerauswahl obliegt einer dreiköpfigen internationalen Jury, bestehend aus Hans Ulrich Obrist, Kasper König und Nancy Spector.

Auf Richard Hamilton, der mit seiner Publikumsspiegelung den bis dato wohl besten Beitrag geliefert hatte, folgt nun eine Arbeit des Italieners Giulio Paolini, zu sehen bis Ende Juni 2003. Der 1940 geborene, als Bühnenbildner und Maler ausgebildete Arte-povera-Protagonist verzichtet in seinem Wiener Vorhang auf die konzeptuelle Strenge, die viele seiner Werke charakterisiert. Vielmehr setzt er auf barocke Opulenz in Form einer auf Vorhanggröße aufgeblasenen Collage: Die Reproduktion eines rot-goldenen Samtvorhangs fungiert quasi als breiter Bilderrahmen für die auf Sternhintergrund aufgebaute Bühne bzw. das Sammelsurium an Bühnenrequisiten, "in Erwartung ihrer Aufstellung und ihrer Rolle" (Paolini). Hier werden die Zuschauer allerdings recht eindimensional darauf vorbereitet, in Bälde einen Illusionsraum zu betreten: Kunst und Leben, das alte Lied.

Das Wiener Projekt macht nun in Deutschland Schule: Am 4. September lüftet die Komische Oper in Berlin ihr erstes - von Michael Elmgreen & Ingar Dragset gestaltetes - Vorhanggeheimnis.

(DER STANDARD; Printausgabe, 31.08.2002)