Schon aus Brigitte Hamanns Buch über Hitlers Wiener Jahre weiß eine breitere Öffentlichkeit: Es waren okkulte Zirkel und Sekten in der Habsburger Monarchie, die vor dem ersten Weltkrieg den Nazi-Wahn ideologisch vorbereiteten und die sich unter anderem von indischen, speziell auch buddhistischen Ideen inspirieren ließen. Da wurde eine "Welteislehre" erfunden (von Hanns Hörbiger), da tummelten sich in den okkulten Ostara-Heften des Jörg Lanz von Liebenfels schon Arier, die fernöstliche Erleuchtung suchten. Früh von Esoterik angezogen war auch Heinrich Himmler, und auch hier gab es österreichischen Einfluss: Sein "Hofmagier" im SS-Ahnenerbe war der gebürtige Wiener Karl Maria Wiligut ("Himmlers Rasputin"). Nach dem Zweiten Weltkrieg konstruierte der österreichische SS-Mann Wilhelm Landig einen phantasmatischen "SS-Mystizismus", in dem viel vom Königreich Shambhala, von östlichen Weisheitslehren und von der magischen Kraft tibetischer Lamas die Rede ist. Auch das folgenschwere Hauptwerk des "esoterischen Hitlerismus", in dem der chilenische Diplomat Miguel Serrano den Führer als die Verkörperung des indischen Gottes Vishnu vorstellt (Hitler, El Último Avatara), wurde in Österreich geschrieben. Österreich war und ist, so scheint es, eine Geburtsstätte des Nazi-Okkultismus. Bis heute spuken dessen Lehren in der rechtsradikalen Subkultur, wie die Trimondis in Hitler, Buddha, Krishna. Eine unheilige Allianz vom Dritten Reich bis heute zeigen. Ein Gespräch mit ihnen versucht, die scharfen Thesen zu differenzieren. Die Konstruktion einer NS-Religion aus Elementen östlicher Religionen in Himmlers "Ahnenerbe"-Institution: Wie stießen Sie auf diese "religiöse" Richtung, wo sich die Zeitgeschichte doch lange auf den naturwissenschaftlichen Zweig des "Ahnenerbes" mit seinen Menschenversuchen konzentrierte? Trimondi: Über die Frage, die wir uns schon in Der Schatten des Dalai Lama gestellt hatten: Weshalb war man so stark an der lamaistischen Kultur interessiert und weshalb kommt diese Faszination bei den Neofaschisten wieder? Aber den Nationalsozialismus bringt man doch mit den Germanen zusammen. Trimondi: Die Germanen mit ihrer Stammesstruktur und Naturreligion konnten kaum den ideologischen Stoff liefern, um eine "politische Theologie" für das gigantische NS-Regime zu begründen. Dagegen fanden bestimmte Nazi-Ideologen in den traditionellen Kulturen Asiens die Verbindung von Religion und Staat, Ritual und Politik, Führerkult und Sakralität, nach der sie suchten und die sie nach dem gewonnenen Krieg in einem Nazi-Europa verankern wollten. Die bei Ihnen zitierten Nazi-Wissenschaftler biegen die Religionen aber massiv zurecht: Betont werden gewaltsame Züge, ausgeblendet friedfertige. Walther Wüst, Orientalist und Kurator des "SS-Ahnenerbes", vergleicht die Reden Buddhas mit "Mein Kampf" und verkündet: "Buddha ist eine großartige Gestalt mit unverkennbar tiefen nordischen Einschlägen". Trimondi: Dieser Vergleich ist sicher überzogen. Aber Wüst, von 1941-1945 Rektor der Münchner Universität, war ein gefeierter Fachwissenschaftler, und es gelang ihm, unter der Protektion Heinrich Himmlers, das Gros hochqualifizierter deutscher Orientalisten für seine "große Idee" einer indo-arischen Religionskonstruktion zu begeistern. Von Wüst bis zum Vordenker der Rechten, Julius Evola, spricht man aber ganz immanent von Staat, Krieg, Kampftechnik. Eric Voegelin sah die Umdeutung von transzendenter Religion in eine immanente Überbewertung des Staates ja schon 1938 als Charakteristikum "politischer Religionen". Würden Sie dem zustimmen? Trimondi: Voegelins Trennung von transzendenter und immanenter Religion entstammt dem abendländischen Denken und der europäischen Geschichte. Das spiegelt sich zum Beispiel in der Trennung zwischen Kaiser (der weltlichen Macht) und Papst (dem Vertreter der Transzendenz) wider. Für die traditionellen asiatischen Gesellschaften ist solch eine Trennung der "Mächte" nie charakteristisch gewesen. Die "Theokratien" des Ostens zeichneten sich gerade dadurch aus, dass in ihnen Gott, König und Priester zu einer einzigen Institution, wie beim chinesischen Kaiser, dem japanischen Tenno oder beim tibetischen Dalai Lama, verschmolzen. Sie waren gleichzeitig "immanent" und "transzendent". Aber Buddha war doch gegen den Staat, das passt doch nicht zusammen. Trimondi: Wer sich einen Einblick in religiöse Schriften wie die Bhagavadgita, das Kalachakra-Tantra oder das Hagakure verschafft, der wird dort auf die sakrale Legitimation von Krieg, Gewalt, Opferkulten, auf das zyklische Weltbild mit einem Endzeitkrieg und die Aufgabe des Ichs und auf Machtphantasien wie die vom sakralen Weltenherrscher stoßen. Intoleranz, Magie und Menschenverachtung: Kein Wunder, dass Faschisten und Fundamentalisten diese heiligen Kriegertexte wörtlich nehmen und sich dadurch bestätigt sehen. Deshalb wäre eine Exegese solcher Stellen notwendig. Exegese wäre zentral. Ohne Deutung von Bildsystemen bliebe doch auch von der Johannesapokalypse nichts als ein Kriegstext, ein Endzeitkampf zwischen Licht und Finsternis. Trimondi: Aber ein Kriegsinhalt wie im Kalachakra lässt sich durch keine Deutung in ein Friedensideal umbiegen. Eine Friedensbotschaft wie die Bergpredigt bleibt in jedem Augenblick eine solche. Um eine aggressive Botschaft aber gruppieren sich Fundamentalisten, die diese Inhalte in die Realität bringen wollen. Vollziehen sich Kämpfe wirklich noch auf den Höhen von Weltreligionen? Samuel Huntington mit seinem "Clash of Cultures" vertritt das, aber seiner Islamkritik wurde mit der Forderung nach konkreter, ganz irdischer Sozialpolitik gekontert. Trimondi: Sicher, wenn der Palästinakonflikt und die Armutsfrage in der islamischen Welt gelöst wären, gäbe es eine geringere Infizierung durch die "Djihad-Ideologie". Aber religiösen Wahn findet man auch unter "Bessergestellten", etwa den Attentätern des 11. Septembers. Aber der Dalai Lama verkündet doch eine Friedensbotschaft. Was finden Sie daran gefährlich? Trimondi: An seiner offiziellen "Friedens- und Glücksbotschaft" finden wir überhaupt nichts Gefährliches, im Gegenteil! Doch stehen sie in Diskrepanz zu den gefährlichen, in der Öffentlichkeit kaum bekannten fundamentalistischen Aspekten des Kalachakra-Tantra-Rituals, das von ihm im Oktober in Graz durchgeführt wird. In diesem Tantra gibt es zahlreiche Bilder, Inhalte und Praktiken, die auch vom religiösen Faschismus rezipiert wurden. Ihre Alternative? Trimondi: Kritischer und selbstkritischer, interkultureller und interreligiösen Dialog, gerade angesichts aufkommender Religionskriege. Importierte Kultur- und Religionsinhalte müssen offen nach ihren kriegerischen, sexistischen und intoleranten Äußerungen hinterfragt werden, insbesondere wenn sie sich als die besseren Weltmodelle zum "dekadenten" Westen anbieten. Da einige davon mit Visionen aus dem rechtsextremen Lager Konvergenzen aufweisen, müssen wir uns doch Klarheit darüber verschaffen: Handelt es sich dabei um Verzerrungen und Fehlinterpretationen von faschistischer Seite, oder sind diese Religionsinhalte von sich aus mit einer freiheitlichen und humanistischen Gesellschaft nicht kompatibel? Wir haben es hier vielfach mit traditionellen Kulturen zu tun, die historisch gesehen niemals von sich aus eine eigene Magna Charta, eine "Aufklärung", eine Menschrechtsdebatte oder Demokratiebewegung entwickelt haben. Es ist unglaublich, wie massenhaft und naiv heute Kultur aus dem Osten importiert wird: So erschien z. B. 2001 im Piper Verlag das Hagakure, ein Text des japanischen Samurai-Kultes aus dem 17. Jh.. Das Buch ist von einer menschenverachtenden Brutalität und galt als ideologische Grundlage für den Shinto-Faschismus und für die jungen Kamikaze-Flieger. Seine Publikation war deswegen bis in die 80er hinein in Japan verboten. Unter den Nazis, die sich sehr für die Kriegsphilosophie der Samurai interessierten, wurden Teile dieses Textes ins Deutsche übersetzt. Nicht nur, dass der Verlag die verhängnisvolle Geschichte des Hagakure, das den Krieg als Selbstzweck heiligt, kaum erwähnt, sondern er preist es auf dem Klappentext als "einen spirituellen Leitfaden für den beruflichen und privaten Erfolg auch in der heutigen Welt" an. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31. 8. 2002)