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Bei den Wahlen zum Volksdeputiertenkongress der UdSSR (1989) errangen die Volksbewegungen in allen drei Republiken überzeugende Mehrheiten. Bei den Wahlen in den Obersten Sowjet der Lettischen Republik wiederholte sich dies. Als oberster Repräsentant des Landes wurde der Reformkommunist Anatolis Gorbunovs zum Parlamentspräsidenten gewählt. An die Spitze der Regierung trat der Volksfront-Vorsitzende Ivars Godmanis. Nach Litauen und Estland bekannte sich auch das lettische Parlament am 4. Mai 1990 zu einer schrittweisen Wiederherstellung der staatlichen Unabhängigkeit. Vergeblich mobilisierte Moskau die Russen im Land in einer "Interfront", die sich zum Zusammenschluss mit Russland bekannte. Ein Angriff der Sonderpolizei auf das lettische Innenministerium forderte fünf Tote und zahlreiche Verletzte, doch die allgemeine Empörung im In- und Ausland über dieses Vorgehen, das auch vom RSFSR-Präsidenten Jelzin verurteilt wurde, stoppte die Versuche, die Entwicklung rückgängig zu machen. Am 3. März 1991 sprachen sich in einem Referendum 73,7 Prozent der lettländischen Wähler für die Unabhängigkeit aus, was zeigt, dass auch ein Teil der Russen im Land dafür war. Nach dem Zusammenbruch des Moskauer Putschversuchs erklärte Lettland am 21. August 1991 seine Unabhängigkeit, dem folgte die Anerkennung durch die EU-Staaten, durch die UdSSR (6. September) und die Aufnahme in die Vereinten Nationen. 1993 traten zu den ersten freien Wahlen in Lettland nach fünf Jahrzehnten zahlreiche Parteien an; die KP wurde verboten. Als Sieger aus der Wahl ging Anatolis Gorbunovs' Partei "Lettlands Weg" hervor, in der sich Reformkommunisten und Emigranten zusammengefunden hatten. Die "Volksfront" blieb unter der Vier-Prozent-Klausel. Zum Staatspräsidenten wurde der Bauernbündler Gurtis Ulmanis, ein Neffe des "Volksführers" der 1. Republik, gewählt. Die Wahlen von 1995 ergaben ein ganz anderes Bild, an dem sich die Unzufriedenheit der Wähler über die mit den Wirtschaftsreformen einhergehenden Probleme ablesen ließ: Alle bisher führenden Parteien erlitten schwere Verluste zugunsten links- und rechtsextremer Gruppierungen. Nach langen Verhandlungen wurde schließlich Andris Skele, ein aus Amerika zurückgekehrter parteiloser Unternehmer, zum Ministerpräsidenten gewählt. 1998 hatte sich die Meinung der Wähler erneut gewandelt. Die linken und rechten Populisten waren wieder aus der Saeima hinausgewählt, schließlich wurde eine Mitte-rechts-Regierung aus der von Skele gegründeten Volkspartei (TP), Lettlands Weg (DC) und der Union für Vaterland und Freiheit (TB) gebildet. Der Mitte-rechts-Kurs wurde auch nach weiteren Kabinettsumbildungen beibehalten. Die Zusammensetzung der Bevölkerung Lettlands und die 1991 beschlossene Bestimmung, dass nur jene Personen, die am 17. Juni 1940 die lettische Staatsbürgerschaft besessen hatten, sowie deren Nachkommen als Staatsbürger gelten sollten, hatte zur Folge, dass 1993 nur 47 Prozent der Bevölkerung wählen konnten. Die Russen im Land fühlten sich diskriminiert, die KSZE übte Druck auf Lettland aus, hier neue Wege zu suchen. 1995 wurde ein Staatsbürgerschaftsgesetz beschlossen, wonach mit lettischen StaatsbürgerInnen verheiratete Nichtletten sowie alle nach 1991 geborenen Kinder sofort und unter 30-Jährige bis zum Jahr 2000 eingebürgert werden konnten. Für Ältere wurden Quoten festgelegt. 1998 wurden auch diese abgeschafft. Bis 2001 waren von 800.000 Russen 250.000 lettische Staatsbürger geworden. Auch das Sprachgesetz, das Lettisch als Staats- und Amtssprache vorsieht, wurde von den Russen im Land als diskriminierend empfunden. Es sollte 1999 beschlossen werden, wurde aber zunächst von der neuen Staatspräsidentin Vaira Vike-Freiberga, einer Psychologieprofessorin aus Montreal, beeinsprucht. In etwas abgemilderter Form beschlossen, ist sein Ziel Schutz und Förderung der lettischen Sprache. Danach ist in Behörden, Staatsunternehmen, bei öffentlichen Anlässen und für Unternehmen oder Organisationen, wenn sie öffentlich auftreten, grundsätzlich Lettisch zu verwenden. Im Jahr 1945 hatte die Sowjetregierung das 1920 an Lettland abgetretene Gebiet von Abrenen/Pitalowo von der Lettischen Sowjetrepublik abgetrennt und wieder der RSFSR eingegliedert. Lettland hatte nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit auf Rückgabe Anspruch erhoben. Da offene Gebietsfragen den Aufnahmeprozess in EU und Nato verzögern, verzichtete Lettland nach vergeblichen Verhandlungen mit Russland 1997 auf diese Gebietsforderung. Lettland wurde zunächst der zweiten Ländergruppe, mit der Verhandlungen für die Aufnahme in die Europäische Union zugesagt wurden, zugeteilt. Im Jahr 2000 hat die EU diese Verhandlungen eröffnet, sodass die Chance besteht, dass alle drei baltischen Staaten zugleich in die Union kommen.(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31. 8. 2002)