Europa
Budapest: Ex-Premier Orban fordert "Medienfreiheit
Bei Demonstration Fernsehkanal für das rechte Lager gefordert
Budapest - In der ungarischen Hauptstadt Budapest hat am
Freitagabend eine Menschenmenge unter der Führung des ungarischen
Ex-Ministerpräsidenten Viktor Orban "für die Wahrung der Freiheit der
Medien" demonstriert. Die Menge - laut Angaben der Veranstalter etwa
hunderttausend Menschen - betrauerte dabei vor dem Gebäude des
staatlichen Fernsehens das "Ende der Medienfreiheit" in den
staatlichen elektronischen Medien, seit bei den Parlamentswahlen im
April dieses Jahres eine Koalition aus Sozialisten (MSZP) und den
liberalen Freidemokraten (SZDSZ) an die Macht gekommen war. Die Menge
warf der Regierung Einflussnahme auf die staatlichen Medien und die
Verdrängung der "national ausgerichteten" Journalisten vor."Aufteilung" der zwei staatlichen Fernsehsender
Als Höhepunkt der Veranstaltung forderte Ex-Premier Orban die
"Aufteilung" der zwei staatlichen Fernsehsender zwischen den
politischen Richtungen. Laut Orban solle ein Sender den Sozialisten
"gehören" (also vom Staat abhängig sein), der andere jedoch "jenen,
die auf der Basis eines nationalen Wertesystems stehen". Damit sind
die Rechtskonservativen, vor allem aber die so genannten
"bürgerlichen Kreise" gemeint, als deren Anführer Orban gilt. Diese
Kreise, deren politische Rolle in Ungarn stark umstritten ist, sind
rechtskonservative "Freundschaftsvereinigungen" im ganzen Land, deren
Zustandekommen Orban in einer Rede bei einer Demonstration im Mai
initiiert hatte.
Sollten die "Nationalen" ihren eigenen Fernsehsender nicht
bekommen, so drohte Orban für das Frühjahr die Initiierung einer
Volksabstimmung an, um das zu bekommen, "was jenen gebührt, die dem
bürgerlichen Wertesystem folgen". Mit Hinblick auf die
Gemeinderatswahlen im Oktober rief der Ex-Premier seine Anhänger zur
"Einheit" auf: es ginge nun "nicht mehr um einzelne Parteien",
sondern um "ein Lager, eine Fahne". Er attackierte die
sozial-liberale Regierung von Peter Medgyessy bei seiner Rede äußerst
scharf und sprach von der "Verfolgung der national fühlenden
Menschen" und einer "Welle von Lügen, die über das Land schwappt".
All dies müsse "beendet" werden, deshalb sei nun die Einheit der
ungarischen Rechten gefordert.
Forderung nach einem "eigenen" Fernsehsender
Die Forderung Orbans nach einem "eigenen" Fernsehsender für seine
politische Richtung würde eine Änderung des Mediengesetzes erfordern.
Dieses sieht nämlich ein politisch theoretisch unabhängiges,
öffentlich-rechtliches Fernsehen vor, das von einem von allen
Parlamentsparteien besetzten Kuratorium kontrolliert wird. Gerade
dieses Kuratorium war jedoch unter der Orban-Regierung ausschließlich
mit Delegierten der rechtskonservativen Regierungsparteien sowie der
rechtsextremen MIEP besetzt gewesen.
Nachdem nämlich die MIEP trotz ihrer geringen Stärke im Parlament
einen zweiten Sitz im Kuratorium gefordert hatte und dabei
stillschweigend von der Fidesz unterstützt worden war, hatten die
linksgerichteten Parteien MSZP und SZDSZ aus Protest die
Mitgliedschaft im Kuratorium boykottiert. Übrigens wurden sowohl der
jetzige Direktor des staatlichen Ungarischen Fernsehens als auch die
Direktorin des Staatlichen Radios noch unter der Orban-Regierung
eingesetzt und gelten als Fidesz-Anhänger. Bisher hatte die Regierung
Medgyessy nichts unternommen, um die beiden Direktoren abzulösen.
Ebenfalls am Freitag nannte Imre Mecs, der Vorsitzende des
ungarischen Parlamentsausschusses, die Namen jener
Regierungsmitglieder seit 1990 auf Geheimdienstvergangenheit
untersucht wurden. Es handelt sich dabei um folgende Personen: Aus
der konservativen Regierung von Jozsef Antall und seines Nachfolgers
Peter Boross (1990-94): Wirtschaftsminister Bela Kadar,
Finanzminister Ferenc Rabar, Staatssekretär Laszlo Bogar,
Staatssekretär Laszlo Sarossy, Staatssekretär Ernö Raffay. Aus der
sozialistisch-liberalen Regierung von Gyula Horn (1994-98):
Industrie- und Handelsminister Szabolcs Fazakas. Aus der
konservativen Regierung Viktor Orban (1998-2002): Phare-Minister Imre
Boros, Finanzminister Zsigmond Jarai (heute Präsident der Ungarischen
Nationalbank), Außenminister Janos Martonyi, Verkehrsminister Laszlo
Nogradi, Staatssekretär Laszlo Bogar. Aus der derzeitigen
sozial-liberalen Regierung: Premier Peter Medgessy.
Diese Namen stimmen mit jener Liste überein, die vergangene Woche
bereits in einer ungarsichen Tageszeitung erschienen war. Laut Mecs
würde ein größerer Schaden dadurch verursacht, hätte man weiter
geschwiegen. Zugleich wandte sich der liberale Vorsitzende des
Parlamentsausschusses an das Amt für Geschichte, das Amt des
Ministerpräsidenten und das Verteidigungsministerium und ersuchte um
Zustellung beglaubigter Kopien der mit den betroffenen Personen im
Zusammenhang stehenden Dokumente. Für die Dokumente bestehe deshalb
Bedarf, weil der Ausschuss eine volle Beweisführung anstrebe. (APA)