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Der Verkauf von Roy Keanes Buch läuft in Großbritannien hervorragend

Foto: Reuters/McErlane

Roy Keane ist in aller Munde. Da war der öffentliche Streit mit Mick McCarthy, dem Teamchef der irischen Fußballnationalmannschaft, im Frühsommer. Er endete damit, dass der beste Spieler des Teams von der WM abreisen musste, ohne eine Ball getreten zu haben. Dann, vor wenigen Wochen, die Veröffentlichung seiner Autobiografie, darin beinahe genüsslich und in alttestamentarischem Geist ("Auge um Auge") die Rache Keanes an dem Spieler Alf Inge Haaland des Langen und Breiten geschildert wird.

Besonders für die "Scheiß-mich-nix"-Attitüde bezüglich seines absichtsvolles Foulspiels an dem Norweger wurde Keane denn auch medial entsprechend abgewatscht. Haaland und sein Klub Manchester City haben inzwischen Schadenersatzklagen eingebracht. Am vergangenen Wochenende dann der nächste Vorfall: Keane streckt im Match zwischen Manchester United und Sunderland seinen Landsmann Jason McAteer mittels Ellbogencheck nieder und wird ausgeschlossen. Was ist los mit Roy Keane? In einem ausführlichen Interview mit Sean O'Hagan vom Observer Sport Monthly spricht der ManU-Kapitän über seine Herangehensweise an den Fußball und sein Alkoholproblem.

Keane zeigt sich darin als jemand, der dem Erfolg mit beinahe fanatischem Ehrgeiz nachjagt und dabei keiner Auseinandersetzung aus dem Weg geht. Auf dem Spielfeld die unumstrittene Führungsfigur, erscheint er privat scheu und zurückhaltend – als einer, der Schwierigkeiten hat, auf andere Menschen zuzugehen.

Vorweg: Bereut wird nichts. Auf die Frage, ob er Haaland heute nocheinmal so brutal attackieren würde antwortet Keane: "Wahrscheinlich. Ja." Immerhin mit der Einschränkung, dass damals keine Verletzungsabsicht bestanden hätte. Auch bezüglich der Auseinandersetzung mit McCarthy ist sich Keane seiner Sache sicher: "Ich habe das richtige gemacht." Der irische Verband habe unprofessionell gehandelt, damit könne er sich nicht einfach abfinden.

Kompromisslos

Unprofessionalität. Keane vermutet sie beinahe überall. Bei Funktionären, vor allem aber bei Spielern. Keinesfalls dürfe man mit Erreichtem zufrieden sein, sich zurücklehen, durchlavieren, nicht alles geben. Keane will gewinnen. Um jeden Preis. Diese Einstellung macht einen großen Spieler aus, aber sie macht es auch schwer mit anderen klarzukommen. Seine Kollegen bei United sind nämlich mitnichten von der Kritik ausgenommen. Hätten sie denn nicht denselben Willen zm Sieg wie er selbst? "Zweifellos nein." Es mache ihn fertig, wenn sich die Mitspieler nicht 100 Prozent einsetzen würden. Eine diesbezüglich besonders unangenehme Erinnerung sei die Niederlage im Champions League-Halbfinale gegen Bayer Leverkusen: "Ich sehe sie (die Spieler) nachher in der Bar, und ich frage mich: Warum ist ihnen das egal? Warum schmerzt es sie nicht?"

Insofern wundert es nicht, dass es für Keane keine größere Beleidigung geben kann, als den Vorwurf mangelnden Einsatzes. Diesen wunden Punkt traf McCarthy, als er seinem Kapitän im Trainingslager vor versammelter Mannschaft vorwarf, eine Verletzung vorgetäuscht zu haben, um sich vor einem Länderspiel zu drücken. Danach war der Ofen aus. "Lügner" war noch das Harmloseste, was der Coach zu hören bekam. Und dann die Sache mit der irischen Mentalität: Feiern auch nach Niederlagen. Und die Betreuer würden auch noch mitmachen. McCarthy genauso wie früher Volksheld Jacky Charlton. Für einen wie Roy Keane ein ganz und gar unmögliches Verhalten.

Corkman

Seine irische Nationalität ist für Keanes Selbstverständnis offenbar eher zweitrangig. Seine Herkunft aus Cork scheint viel wichtiger. Darauf ist er stolz. Alle seine echten Freunde seien von dort, mit denen fühle er sich entspannter. In Manchester habe er nach all den Jahren höchstens ein oder zwei. Keane erzählt, dass ihn die Leute in seiner Heimatstadt immer noch wie früher behandeln würden. Sein Reichtum würde die nicht beeindrucken.

In seinem Buch wird geschildert, wie der junge Keane zu Beginn seiner Karriere bei Nottingham Forest direkt nach den Spielen nach Cork geflogen sei – und dort gerade noch rechtzeitig zum Ordern der letzten Runden in den Pubs angekommen sei. Mit seiner Clique durch die Lokale ziehen, das wär's gewesen. Dafür hätte er es auch riskiert in Schlägereien verwickelt zu werden. Auf die Frage des Interviewers, ob er denn bei einer Rauferei dabeigewesen wäre, wenn es sich so ergeben hätte meint Keane: "Oh ja. Die Schlägereien in Cork bei denen ich dabei war und noch nicht erwähnt habe. Das würde ein eigenes Buch füllen."

Seine Zuneigung zum Alkohol aber sollte sich bald zu einem gravierenden Suchtproblem auswachsen. Nach seinem Wechsel nach Manchester sei es daher beruhigend gewesen herauszufinden, dass es im Verein eine "Subkultur des Trinkens" gegeben habe. Wie es die Spitzenspieler damals geschafft hätten damit durchzukommen? Ganz einfach, weil alle mit dabei waren. Keane: "Wenn Spieler heute sagen, sie gehen essen, gehen sie essen. Damals, wenn wir zu einem sogenannten Essen gegangen sind, war da nicht ein Sandwich zu sehen."

Er bestätigt, dass das Trinken mit seiner Einsamkeit zu tun hatte, mit seiner Unfähigkeit mit den Kollegen zurecht zu kommen. Er hätte es nie geschafft den ersten Schritt auf die anderen zu zu machen. Um lockerer zu werden, hätte er ein paar Gläser gekippt, bevor er sich mit den Burschen getroffen habe. Nach den folgenden Exzessen hätte er sich dann wieder für Wochen zurückgezogen. Besonders schlimm sei es gewesen, als er vor drei Jahren wegen einer Verletzung lange nicht spielen konnte. Während dieser Zeit sei ihm erst klar geworden, wieviel Fußball für ihn bedeute. Er fühlte sich leer und frustriert und war jede Nacht besoffen. Er war mit seinen Krücken unterwegs, sprang mit seinem kaputten Knie über Hecken und Autos. "Verrückt, völlig verrückt."

Angst vor dem Ende

Mittlerweile habe er die Sache aber in den Griff bekommen. Nicht zuletzt, weil er wieder richtig fit werden wollte, zurückkommen auf den Platz, zu dem was ihm am Wichtigsten im Leben sei. Roy Keane hat Angst vor dem Aufhören: "Es wird passieren, aber ich möchte weitermachen solange es geht." Dann will er als Trainer arbeiten, auch wenn das allenfalls das Zweitbeste sei: "Rede mit anderen Trainern und die werden dir sagen, dass es das Spielen ist, worum sich alles dreht. Das Spielen ist das ultimative Ding. Man kann das nicht ersetzen, und davor fürchte ich mich." (rob)