Historiker will Geschichte Mesoamerikas umschreiben
Rolle der Stadt
Teotihuacán sei bisher unterschätzt worden - großes Imperium beeinflusste auch die Maya
Redaktion
,
Mexiko-Stadt - Die vorspanische Geschichte Mexikos und
Mittelamerikas muss nach Ansicht des mexikanischen Historikers
Enrique Florescano in Teilen umgeschrieben werden. In seiner
Neuinterpretation, die Florescano dieser Tage in Mexiko-Stadt
vorstellte, hebt der Forscher vor allem die Rolle der Stadt
Teotihuacán (rund 50 Kilometer nordöstlich von Mexiko-Stadt) hervor.
Deren regionaler Einfluss sei im ersten Jahrtausend nach Christus
noch viel größer gewesen als bisher angenommen.
Nach Ansicht Florescanos war die Stadt Teotihuacán, deren Ruinen
mit der berühmten Sonnen- und Mondpyramide heute eine
Touristenattraktion ersten Ranges sind, in ihrer Blütezeit zwischen
200 und 700 nach Christus nicht nur ein bedeutendes religiöses und
Handelszentrum, sondern auch eine mächtige Militärmacht. Teotihuacán
habe in Mesoamerika - wie Altamerikanisten den Kulturraum zwischen
Mittelmexiko und Nicaragua nennen - das erste große Imperium
geschaffen und sich auch einige Fürstentümer der Maya in Südmexiko
und Guatemala untertan gemacht. So sei die Stadt Tikal im Norden
Guatemalas im Jahr 378 nach Christus von einem General aus
Teotihuacán erobert worden.
Die mythische Stadt "Tollan"
Florescano schiebt die bisher in der Forschung gehegten Zweifel
über die Sprache der Teotihuacanos beiseite und ist sich sicher, dass
bereits diese Náhuatl sprachen. Das Náhuatl, die Sprache der Azteken
zum Zeitpunkt der spanischen Eroberung, habe sich also schon seit der
Blütezeit Teotihuacáns in Mesoamerika als Sprache der Macht und als
Verkehrssprache ausgebreitet und die Schaffung eines einheitlichen
Kulturraumes begünstigt. "Die Nahua-Kultur ist die älteste,
dauerhafteste und einflussreichste Mesoamerikas", schreibt
Florescano. Er sei sich im Klaren darüber, dass diese These vor allem
unter den Maya-Forschern Widerspruch auslösen werde, sagte er.
Nach Ansicht Florescanos handelt es sich bei der in alten
Chroniken immer wieder erwähnten mythischen Stadt "Tollan" in
Wirklichkeit um Teotihuacán und nicht, wie bisher von der Mehrheit
der Wissenschaftler angenommen, um Tula de Hidalgo (rund 80 Kilometer
nordwestlich von Mexiko-Stadt). Auch die lange Zeit vertretene These,
dass die Tolteken aus Tula im 10. Jahrhundert die Mayastadt Chichén
Itzá im Norden der Halbinsel Yucatan erobert hätten, sei nicht
haltbar. Teotihuacán schon viel früher entscheidenden Einfluss auf
die Entwicklung Chichén Itzás ausgeübt.
(APA/dpa)
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