Mensch
"Globale Epidemie" Fettsucht
Neben Krankheiten auch finanziell enorme Mehrkosten
Wien - Übergewicht und Fettsucht machen krank. Sie
verursachen laut österreichischen Experten aber auch eine veritable
Kostenlawine. Darunter befinden sich auf Österreich hochgerechnet
rund 167 Millionen Euro pro Jahr an Mehraufwendungen für
Arzneimittel, wurde am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien
erklärt. Der Hintergrund: Der Innsbrucker Internist Dr. Alexander Dzien hat
die Kosten der Arzneimittelverschreibungen in Sachen Herz-Kreislauf,
Bewegungsapparat und Stoffwechselstörungen bei 3.360 seiner Patienten
in einem Zeitraum von fünf Jahren analysiert und mit dem
Körpergewicht verglichen. 53 Prozent der Kranken waren übergewichtig
(Body-Mass-Index von mehr als 25), 18 Prozent der Frauen und 13
Prozent der Männer waren fettsüchtig (Adipositas, Body-Mass-Index von
mehr als 30).
Das Ergebnis der Untersuchung von Dzien: Die Mehrkosten für die
durch Übergewicht benötigten Medikamente betrugen allein bei den rund
1.780 übergewichtigen Patienten (53 Prozent der 3.360 Kranken) seiner
Praxis jährlich 146.996 Euro.
Teuer ...
Die weitere Rechnung: Da in Österreich rund 30 Prozent der
erwachsenen Bevölkerung Übergewicht aufweisen, sind das etwa zwei
Millionen Menschen. Somit müssen für sie pro Jahr rund 167 Millionen
Euro an Mehrkosten für Medikamente aufgewendet werden.
Dzien: "Wir haben einfach gefragt: 'Ist das so, dass uns Dicksein
teurer kommt?'. Es ist so. Das ist auch im Bereich einer alltäglichen
Arztpraxis zu sehen. - Und das ist nur das, was im Bereich vor dem
Spital stattfindet, auch nicht die Rehabilitation."
Ein weiteres Faktum laut Dzien: Auf die Übergewichtigen unter den
Patienten des Innsbrucker Internisten entfielen jeweils rund 60
Prozent der Verschreibungen für Herz-Kreislauf-Medikamente, Leiden
des Bewegungsapparates und Stoffwechselkrankheiten.
"Globale Epidemie" Fettsucht
Somit müssten sich alle medizinischen Maßnahmen, die zur
Verhinderung von Übergewicht und Adipositas bzw. deren Reduktion
führen, auch für Krankenkasse und Volkswirtschaft rechnen.
Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak, Internist sowie Stoffwechsel- und
Adipositas-Experte der Universitätsklinik Graz: "Adipositas ist die globale Epidemie des 21. Jahrhunderts. Das ist eine Entwicklung, die
weltweit gleich ist."
Ernährung, Bewegung und neuerdings auch Medikamente wie
Sibutramin ("Reductil": Appetit-Normalisierung) oder Orlistat
("Xenical": teilweise Aufnahmehemmung für Fett aus dem Darm) und -
bei sehr stark Adipösen - chirurgische Maßnahmen können relativ
vielen Betroffenen helfen. Toplak: "Schon die Gewichtserhaltung ist
am Beginn ein gewisses Ziel. Da braucht man noch keine großen
'Abmagerungskuren' machen. Wir versuchen bei einem Body-Mass-Index
von 27 eine Grenze einzuziehen. Über einem Body-Mass-Index von 30
liegt dann schon eine schwere Erkrankung vor."
Die größten Risiken sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Herzinfarkt
etc.), Typ-2-Diabetes ("Altersdiabetes") und Erkrankungen des
Bewegungsapparates. Toplak: "Dabei hat sich
gezeigt, dass nur mit der Verringerung des Körpergewichts um wenige
Prozent (z.B. fünf Prozent) und Bewegung die Diabetes-Häufigkeit auf
ein Fünfzigstel zu reduzieren ist." (APA)