Tötet den Drachen

Clemens Rosenkranz
Der Softwaregigant Microsoft muss zerschlagen werden, nimmt man die Entscheidung des US-Gerichtes ernst. Von einer Zergliederung des Konzerns werden besonders die Konsumenten profitieren, die mit dem Kauf des populären Windows-Programms den von Microsoft entwickelten Internet-Browser als Katze im Sack mit übernehmen mussten. Sie können sich auf geringere Preise und eine Wahlfreiheit freuen. Gerade bei einem so offenen Medium wie dem Internet haben Monopolisten nichts verloren. Natürlich ist nichts gegen industrielle Standards einzuwenden: Schließlich hat sich auch bei Videorecordern das System VHS gegen die anderen durchgesetzt, es wurde aber von einer Vielzahl von Firmen angeboten. Wäre Sony der einzige Anbieter gewesen, hätte es wohl einen veritablen Handelskrieg gegeben. Aber gerade die Konkurrenz hat die Erzeuger von Videorecordern zu Verbesserungen getrieben und den Kunden zum König über die Entwicklung gemacht. Freie Wahl statt Zwangsbeglückung. Eigentlich muss auch Konzernchef Bill Gates dem gestrengen Richter dankbar sein, sieht man davon ab, dass das Urteil sein Vermögen unwesentlich geschmälert hat: Durch mehr Wettbewerb wird nämlich das Gehirnschmalz der Microsoft-Entwickler angeregt, innovative Produkte zu kreieren, anstatt sich im Faulbett der Marktdominanz ausruhen zu können. Dies belegt auch die Entflechtung des US-Telefonriesen AT & T. Die Vielzahl von Anbietern hat nämlich den Wettbewerb angekurbelt und den technologischen Sprung bei der Telefonie und damit den Bau der Datenautobahnen erst ermöglicht. Die US-Konsumenten dürfen sich seither über einen stetigen Preisverfall und besseres Service freuen.

Den Standard setzen

Johanna Ruzicka
Der Softwareriese Microsoft, der im größten Kartellprozess des ausgehenden Jahrhunderts arg hergenommen wird, war und ist grosso modo ein sehr positives Schwungrad für die Wirtschaft. Denn die Tatsache, dass sich auf dem Betriebssystemsektor ein Quasi-Monopol gebildet hatte, das von Microsoft-Chef Bill Gates gelenkt wird, hat dazu geführt, dass die verschiedenen Computer und Systeme einander verstehen. Um dieses Verstehen, dieses von jedem Ort der Welt aus Miteinander-kommunizieren-Können, geht es. Es ist dies unabdingbar für globales Wirtschaften und vernetztes Handeln; für den Aufschwung, den die Informationstechnologie genommen hat. Durch die weite Verbreitung von Microsoft-Produkten kam es in den letzten Jahren zu einer schnellen, effizienten Quasi-Standardisierung. Man stelle sich vor, diese Arbeit hätten die dafür zuständigen Normierungsbehörden durchgeführt. Es wäre etwas herausgekommen, das unseren Steckdosen ähnelt: Jedes Land macht, was es will, und schert sich keinen Deut um Kompatibilität. Außerdem hätte es endlos lange gedauert. Dies ändert jedoch nichts an dem Vorwurf des US-Justizministeriums, Microsoft behindere mit seiner Marktmacht den Wettbewerb. Es ist in der Tat nicht einsichtig, weshalb es zu einer derartig massiven Verknüpfung von Betriebssystem und Anwenderprogrammen gekommen ist. Sollte also Microsoft in kleine "Babysofts" zerschlagen werden, wird der verbleibende Kernkonzern weiterhin dies tun, was für ihn und seine Aktionäre profitabel und für uns alle fortschrittlich war: uns mit immer ausgefeilteren Betriebssystemen zu versorgen. Darauf aufsetzend kann dann der von vielen so gewünschte Wettbewerb um die Anwendersoftware toben.