Schwertberg - Die Wanduhr in dem langen Gang im Betriebsgebäude des Schwertberger Maschinenbauers Engel ist 17 Minuten nach eins stehen geblieben. Seit gut einem Monat haben sich die Zeiger hier nicht mehr bewegt. Seit die Aist über die Ufer getreten ist und sich als 2,30 hohe Flut durch die Firma gewälzt hat. "Drei unserer Mitarbeiter waren eingeschlossen und haben erlebt, wie das Wasser immer höher gestiegen ist und schließlich die Glasscheiben des Bürotraktes eingedrückt hat", schildert Peter Neumann, Sprecher der Geschäftsführung von Engel seinen Gästen. Die für den Haushalt zuständige EU-Kommissarin Michaele Schreyer, die an diesem Donnerstagabend nach Österreich gekommen ist, um die Hochwasserschäden zu begutachten, schüttelt entsetzt den Kopf. 150 Millionen Schaden Schwertberg war einer der am stärksten betroffenen Orte der beiden Flutkatastrophen vom August. Die Firma Engel liegt direkt neben der Aist und wurde mit voller Wucht getroffen. Bis zu 1,5 Meter hoch standen Schlamm und Sand in den Hallen, fast alle Maschinen wurden zerstört. "Der Gesamtschaden beträgt rund 150 Mio. Euro, 99 bis 119 Mio. davon sind ungedeckt", verrät Neumann. Allein die Betriebsunterbrechung kostet den weltweit führenden Hersteller von Spritzgießmaschinen 60 Mio. Euro. Wie es weitergeht, muss im kommenden Monat entschieden werden. "Wir brauchen dringend einen Hochwasserschutz, andernfalls übernimmt keine Versicherung das Risiko. Eine Machbarkeitsstudie für ein Dammprojekt rund um das Areal liegt schon vor, bis Ende September müssen wir erste Genehmigungen haben", erklärt der Manager. Sonst müssen Konsequenzen gezogen werden. "Kommt der Damm nicht, überlegen wir, das Werk in St. Valentin auszubauen, ein neues Grundstück in Schwertberg zu suchen oder nach Kaplice in Tschechien zu gehen." Die Zeit drängt Die Zeit drängt, denn irgendwann werden sich die "derzeit noch sehr treuen Kunden" neue Lieferanten suchen. Um den Schaden gering zu halten, wird derzeit auch bei Zulieferern gefertigt. Bis Ende des Jahres soll die Produktion in Schwertberg wieder aufgenommen werden, so der Plan. Ein Abwandern des Betriebes wäre für die Region nach dem Wasser eine weiterere Katastrophe, ist Engel doch mit mehr als 1300 Beschäftigten der größte Arbeitgeber des Mühlviertels. EU-Kommissarin Schreyer kann Neumann nur Mut zusprechen und auf den Katastrophenfonds verweisen, der von der Kommission beschlossen worden ist. Dann muss sie zur nächsten Katastrophenbesichtigung. Die Wanduhr steht unterdessen noch immer still. Erst am Samstag soll bei Engel wieder Strom in den Leitungen fließen. (Michael Möseneder, DER STANDARD, Printausgabe 14.9.2002)