USA
USA: Opposition reagiert kritisch auf Bushs Präventivschlag-Doktrin
Demokraten: Auch Russland oder China könnten auf Präventivangriffe setzen - Deutsche Politiker besorgt
Washington - Mit Skepsis und Sorge hat die Opposition in
den USA auf die neue Sicherheitsstrategie von US-Präsident George W.
Bush reagiert, die im Zeichen des Krieges gegen den Terrorismus auf
Stärke und vorbeugende Militärschläge setzt. In dem am Freitag
vorgelegten 31 Seiten langen Dokument werden Eindämmung und
Abschreckung offiziell für "tot" erklärt. Politiker und Fachleute der
Demokratischen Partei äußerten nach Medienberichten vom Samstag die
Befürchtung, dass andere Staaten wie Russland ebenfalls
Präventivangriffe zu ihrer offiziellen Politik machen könnten. Der
russische Außenminister Igor Iwanow bekräftigte in Washington, dass
"jede Gewaltanwendung gegen irgendein Land durch den Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen autorisiert werden muss". Alle Länder der Welt
sollten dieser Vorgabe der UNO-Charta folgen. In der neuen Doktrin wird betont, dass die USA für den
Anti-Terror-Kampf ihre militärische Überlegenheit behaupten und
Gefahren beseitigen müsse, "bevor sie unsere Grenzen erreichen".
Falls nötig würden sie allein handeln und präventiv Gewalt anwenden.
Ein hoher Regierungsbeamter erläuterte, dass dies für einen
begrenzten Kreis von Probleme gelte. Staaten wie Russland und Indien
sollten es nicht als Rechtfertigung für Aggression benutzen.
"Beispiellose Stärke"
In dem Dokument heißt es, dass die USA beispiellose Stärke und
beispiellosen Einfluss besäßen, aber auch ebensolche Verantwortungen
und Verpflichtungen. Sie müssten ihre Stärke einsetzen, um ein
Gleichgewicht der Macht zu fördern, das für die Freiheit eintritt.
Washington verfolge einen "ganz bestimmten amerikanischen
Internationalismus, der unsere Werte und nationalen Interessen
reflektiert". Die USA würden sich stets um internationale
Unterstützung bemühen, seien falls nötig aber zum alleinigen Handeln
bereit.
"Die USA müssen und werden die Fähigkeit bewahren, jeden Versuch
eines Feindes abzuwehren - sei es eine staatliche oder eine nicht-
staatliche Kraft - den Vereinigten Staaten, unseren Verbündeten oder
unseren Freunden ihren Willen aufzuzwingen", wird in dem Dokument
betont. Der US-Beamte sagte, die USA wollten "den Aufstieg einer
gegnerischen militärischen Macht nicht zulassen". Dies bedeute aber
nicht, dass nun die Europäer nicht mehr ihre Verteidigungsfähigkeit
verbessern sollten und "dass die USA allein militärisch allen anderen
hoch überlegen sein wollen".
Bisher spielte das Prinzip einer abgestuften Antwort auf Angriffe
in der US-Sicherheitspolitik die Hauptrolle. In dem Text heißt es zum
bisherigen Konzept der Abschreckung und Eindämmung, eine derartige
Strategie sei in einer veränderten Welt nicht wirkungsvoll. Es sei
unmöglich, jene abzuschrecken, "die die USA hassen und alles, was die
USA verkörpern". Die US-Regierung macht auch klar, dass sie von den
meisten Verträgen zur Nichtweiterverbreitung von Waffen wenig hält
und stattdessen auf eine Strategie der "Weiterverbreitungsabwehr"
setzt - etwa in Form zwangsweiser Entwaffnung.
Deutsche Außenpolitiker von Regierung und
Opposition haben die neue US-Militärdoktrin zu Präventivangriffen
gegen Terroristen und "Schurkenstaaten" kritisiert. Der
FDP-Fraktionschef im Bundestag, Wolfgang Gerhardt, sagte der
"Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", er bedauere, daß "die
Bindung an internationale Institutionen nicht der entscheidende Punkt
der amerikanischen Konzeption" sei. Das neue Papier aus Washington
lasse Präventivschlägen "sehr breiten" Raum.
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Gert
Weisskirchen, sagte dem Blatt, die Präventivkriegskonzeption der USA
sei "zu erwarten und zu befürchten" gewesen. Dennoch hoffe er, daß es
noch gelingen werde, Washington beim Wort zu nehmen. Immerhin habe
die US-Regierung versprochen, sich um internationale Unterstützung zu
bemühen. (APA/dpa)