Für ein paar Wochen hatte es so ausgesehen, als würde sich die Gewalt zumindest wieder auf die Palästinensergebiete beschränken. Zu israelischen Berichten über die fast komplette Zerschlagung der Hamas kam die Nachricht vom Aufstand des palästinensischen Parlaments gegen Yassir Arafat, einer Rebellion, die zwar an anderen Dingen festgemacht war, der aber doch eine grundsätzliche Unzufriedenheit der Palästinenser mit ihrer Führung während der Intifada zugrunde liegt. Vielleicht, so mochte man denken, würde Terror gegen Zivilisten wieder vom Widerstand gegen die israelische Besatzung und letztlich die Gewalt von der Politik abgelöst werden. Es war eine Illusion - mehr noch: ein Selbstbetrug. Denn vor den Selbstmordattentätern von Mittwoch und Donnerstag waren welche gestoppt worden, bevor sie ihre Tat verüben konnten. Die grausame Wahrheit: Es hat sich in der Substanz nichts geändert. Wenn nun die israelische Armee schärfer denn je gegen Arafat in dessen Hauptquartier in Ramallah vorgeht, so hat sie nur den Anlass für ein länger gehegtes Vorhaben genützt: Erste Berichte, dass sich dort wieder Extremisten versteckt halten, gab es seit Tagen und Wochen. Und da es im Westjordanland nichts mehr wiederzubesetzen gibt, könnte irgendwann der Gazastreifen an der Reihe sein, mit unsicherem Effekt. Einige israelische Kommentatoren bezogen am Freitag in ihre Sicht der aktuellen Lage schon den kommenden Irak-Krieg mit ein - als würde der irgendetwas an den über Jahre in Israel und "Palästina" geschaffenen katastrophalen Fakten ändern. Aber die von israelischen Ultrarechten vertretene Idee, dass man parallel zu Saddam Hussein ein für allemal auch mit den Palästinensern aufräumen könnte, wird sich ebenfalls als Illusion erweisen. Eine Illusion, die die Region in Brand stecken könnte.(DER STANDARD, Printausgabe, 21./22.9.2002)