Markus Völlenklee (Franz) und Gudrun Tielsch (Magdalena) in Rolf Hochhuths "Nachtmusik"

Foto: Salzburger Landestheater/ Christian Schneide

Salzburg - Das Salzburger Premierenpublikum ließ den besonders indiskreten Literatenblick in die mysteriöse Vita des Genius Loci mit Kurzapplaus durchgehen und zeigte sich von Rolf Hochhuths hochspekulativer Enthüllungsskizze über Mozarts spätes Unterleibsleben weiter nicht sonderlich erregt.

Die vielleicht erhoffte provokative Wirkung hat sich bei der deutschsprachigen Erstaufführung der Nachtmusik keineswegs eingestellt, und so kann der in einem Naheverhältnis zur ehemaligen Hauptfigur des deutschen Doku-Theaters stehende, scheidende Landestheater-Intendant Lutz Hochstraate nach Hochhuths Arbeitslosen-Flop wieder keinen Bühnenaufreger für sein Haus verbuchen.

Zu dürftig ist das theatralische Gestaltungsvermögen des offensichtlich erlahmenden Bühnenautors, der einstmals den Sturz eines NS-belasteten deutschen Ministerpräsidenten einleitete und sich zum Karriereausklang mit der Sexualanalyse eines Kulturdenkmals beschäftigt. Was das gute Recht jedes Aufklärers ist - solange dessen Vermögen, einen Sachverhalt auszuleuchten, nicht nur für einen klugen Programmheft-Essay, sondern eben für ein Theaterstück reicht.

Die an sich spannende Mär der von Mozart geschwängerten Frau eines Wiener Hofjuristen, der den unwiderstehlichen Erotiker aus Rache vergiftet, die Untreue mit dem Rasiermesser überfällt und sich anschließend richtet, wird vom "Psycho-Hektiker" Hochhuth in papierene Geschwätzigkeit übersetzt.

Zwischen Magdalena Hofdemel und ihrem Ehe-Wüterich Franz entspinnt sich ein Kampf- und Krampfdialog von unsäglichen Sätzen zwischen altertümlicher Rokoko-Geziertheit und heute fast salonfähigen F-Wörtern. Auf das Eifersuchtsduett im Stil einer Proseminardramaturgie mit anschließender symbolisierter Bluttat folgt das zähe Doppel zwischen der um ein christliches Gattenbegräbnis besorgten Witwe und Kaiser Leopold, der sich um Vertuschung bemüht.

Die von Einfühlungskitsch triefende Versuchskorrektur von offizieller Künstlerbiografie und Musikgeschichte wird von Regisseur Michael Worsch mit einiger choreografischer Stilisierungskraft gerade noch ins Erträgliche gerettet. In die Richtung eines kühlen Salon-Sittenbildes arbeitet auch die Erich-Wonder-Schülerin Amra mit hypereleganten Laufsteg-Kostümen.

Sabine Hank liefert eine erfrischend jazzige Streichquintett-Untermalung für die verschwendeten Ausbrüche des Ehepaares Gudrun Tielsch und Markus Völlenklee. Angenehmen Abstand zur Rollenvorgabe hält Wolfgang Krassnitzer als huldvolle Majestät. Unter der exquisiten Verpackung lauert in Salzburg die überflüssigste aller Mozartkugeln. Hoffentlich kommt Hochhuth nicht auch noch auf die Idee, die Wahrheit über Tschaikowsky ausplaudern zu wollen. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.9.2002)