Deutschland
SPD gewinnt Osten, Union den Süden
Wählerstromanalyse: Arbeiter verlassen SPD - Stoiber kam im Osten und Norden nicht an
Der Montag nach dem Urnengang ist traditionell
der Tag der Wahlnachlese. Die Wählerstromanalyse zeigt, dass sich vor allem Arbeiter von
der SPD abgewandt haben.
Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU)
kam in Ost- und Norddeutschland nicht an.***
Für das Meinungsforschungsinstitut Infratest/dimap, das für die ARD die
Hochrechnungen erstellt, hat
der knappe Wahlsieg zwei Väter: Gerhard Schröder und
Joschka Fischer. Ihre weit
über die eigene Anhängerschaft reichende Beliebtheit
und Anerkennung überdeckte
letztlich die vor allem bei sozialdemokratischen Wählern
erkennbare Enttäuschung
über die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.
Bei den Arbeitern, die traditionell stärker der SPD zuneigen, verlieren die Sozialdemokraten nach Angaben der
Forschungsgruppe Wahlen
weit überdurchschnittlich
(minus fünf), während die
CDU/CSU hier acht Prozentpunkte dazugewinnt. Noch
deutlicher sind die Verluste
bei der Kerngruppe der SPD,
den gewerkschaftlich organisierten Arbeitern; dort verliert
sie sieben Prozentpunkte, und
die Union gewinnt neun.
Beim wichtigsten Thema im
Wahlkampf, der Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit, hat die
SPD ihren Vertrauensvorschuss von 1998 eingebüßt.
Damals sahen 42 Prozent die
SPD als die Partei an, die am
besten neue Arbeitsplätze
schaffen kann und 24 Prozent
die Union. Jetzt liegt die Union mit 38 Prozent vor der SPD
mit 29 Prozent. Dennoch
konnte sich die Union nicht
als überzeugende Alternative
darstellen, weshalb auch kein
Wunsch nach einem Kanzlerwechsel deutlich wurde.
Interessant ist auch, dass
der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber als
Kanzlerkandidat offensichtlich doch Akzeptanzprobleme
im Rest der Republik hatte.
Zugewinne gab es nur im Süden. "In den nördlichen und
östlichen Bundesländern zeigte sich, dass ein Unions-Spitzenkandidat aus Bayern nicht
vermittelbar ist", analysiert
Infratest/dimap.
Dieser Aspekt, aber auch die
klare Ablehnung der Regierung im Irak-Konflikt spielte
vor allem in den neuen Bundesländern eine dominierende Rolle, wo die SPD um 4,6
Punkte besser abschnitt als
vor vier Jahren. Im Westen
musste sie minus vier Punkte
hinnehmen.
Die Grünen sind der einzige
eindeutige Sieger dieser Wahl.
Sie haben sich, so der übereinstimmende Befund der Institute, bei der Hälfte der Bevölkerung den Ruf eines verlässlichen Regierungspartners
erworben. Großen Anteil daran hat Außenminister
Joschka Fischer. Es war daher
die richtige Entscheidung, ihn
erstmals zum alleinigen Spitzenkandidaten zu nominieren. Durch die Flutkatastrophe wurde Umweltschutz
wieder ein wichtigeres Thema, was den Grünen nutzte.
Wie die Analyse der Forschungsgruppe Wahlen ergab,
haben sich taktische Wähler,
die Rot-Gelb verhindern wollten, verstärkt den Grünen zugewandt. 30 Prozent der Grünen-Wähler - mehr als je zuvor - identifizieren sich eigentlich mit der SPD, wollten
aber den kleinen Koalitionspartner stärken.
Der Möllemann-Faktor