Begehrlichkeiten gibt es viele, aber angesichts des hohen Haushaltsdefizits, das gerade nach Brüssel gemeldet wurde, ist der Spielraum im Wirtschafts- und Finanzbereich für die neue rot-grüne Regierung gering. Finanzminister Hans Eichel, der dem SPD-Team für die am Mittwoch aufgenommenen Koalitionsverhandlungen angehört, machte deutlich, dass der Konsolidierungskurs weiterhin Vorrang hat. Solide Staatsfinanzen sind SPD und Grünen wichtiger als Steuersenkungen.Die neue Regierung wird am Vorhaben festhalten, die wegen der Flutkatastrophe verschobene Entlastung der Steuerzahler erst im Jänner 2004 in Kraft treten zu lassen. Um ein Signal an den Mittelstand zu senden, wird überlegt, Veräußerungsgewinne der Konzerne wieder steuerpflichtig zu machen. Die durch das Wahlergebnis gestärkten Grünen wollen die Ökosteuer über 2003 hinaus fortsetzen, wogegen sich bisher Bundeskanzler Gerhard Schröder stemmte. Die letzte Stufe der Ökosteuer tritt am 1. Jänner in Kraft und bedeutet einen Zuschlag von drei Cent pro Liter Kraftstoff und 0,26 Cent pro Kilowattstunde. Bisher abgelehnt hat Finanzminister Eichel auch andere Steuererhöhungen - aber das war im Wahlkampf. Angesichts der schwierigen Budgetsituation gerät aber auch Eichel immer mehr unter Druck, da die Haushaltslöcher immer größer werden. Bis Ende November muss Rot-Grün ein überarbeitetes Budget für 2003 vorlegen. Wenn die Neuverschuldung nicht erhöht werden soll, bleiben neben Steuererhöhungen nur Einsparungen. Eine "Giftliste" soll es im Finanzministerium schon geben. Zentrale Aufgabe wird die Reform auf dem Arbeitsmarkt sein. Die Vorschläge der Hartz-Kommission sollen in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden. In welchem Tempo die Regierung dann die Vorschläge umsetzt, davon hängt auch ab, wie rasch das angeschlagene Verhältnis zu den Wirtschaftsverbänden wieder gekittet werden kann. Der Geschäftsführer des Bundes Deutscher Industrie (BDI), Klaus Bräuning, rief Rot-Grün auf, sich "aus der Klammer der Gewerkschaften" zu lösen. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mahnte Reformen an. Das DIW schlägt Lohnsubventionen für gering qualifizierte Arbeitslose und eine höhere Besteuerung von Kapitaleinkünften vor. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.9.2002)