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Lieber nicht: Demonstranten vor dem Weißen Haus in Washington artikulieren - hier während der Aktion "Desert Fox" im Jahr 1998 - ihren Unmut über die amerikanischen Bombenangriffe auf den Irak.

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Die öffentliche Schelte des ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore für George W. Bush am Anfang dieser Woche war nur ein - wenn auch weithin sichtbarer - Mosaikstein in der Debatte, die momentan in der US-Öffentlichkeit zum Thema "Angriff auf den Irak" geführt wird. Generell lässt sich das Lager jener, die einen solchen Angriff ablehnen, in zwei Untergruppen aufteilen: Da ist zum einen ein - zahlenmäßig weniger bedeutendes - "Friedenslager", das vor allem moralische und rechtliche Argumente gegen einen Krieg ins Treffen führt. Eine gute Übersicht über die Vorhaltungen, die an die US- Regierung gerichtet werden ("imperialistisches" Gehabe nach außen, Repression nach innen usf.) gibt das Manifest "Not in our name" - ein Dokument, das von vielen Künstlern und Intellektuellen wie etwa der Performance-Artistin Laurie Anderson, der Feministin Gloria Steinem oder dem Historiker Howard Zinn unterzeichnet wurde. Aus dem "Friedenslager" kommt einiges, was wenig tief schürft, wie etwa die "Analyse", der Bush-Regierung ginge es nur ums Öl. Erhellender ist es da zum Beispiel, wenn die New Hampshire Gazette eine nhgazette.com zusammenstellt, die die Inkongruenz im Verhalten jener politischen Führer aufzeigt, die zwar laut vernehmlich die Kriegstrommel schlagen, es andererseits aber - wie Bush - persönlich vorgezogen haben, sich ihren militärischen Verpflichtungen auf die eine oder andere Art zu entziehen. Größer ist das Lager der Kritiker, die den Angriff nicht unter moralischen Kriterien kritisieren, sondern die ihn unter den gegebenen Umständen aus praktischen Gründen für kontraproduktiv halten. The Nation ein klassisches Sprachrohr der US-Linken, artikuliert stellvertretend für andere Zweifler Fragen, die die Regierung Bush noch nicht schlüssig beantwortet habe: Ist Amerika bereit, die zu erwartenden Ausbrüche antiamerikanischen Protests in der muslimischen Welt in Kauf zu nehmen? Zehn-, ja Hunderttausende Soldaten in der Gegend zu stationieren, um den Irak unter eine den USA gefällige Regierung zu zwingen? Würde ein US-Angriff Saddam nicht die letzten Hemmungen nehmen, zu Massenvernichtungswaffen zu greifen usw. usf? Fragen dieser Art sind nicht nur aus dem Lager der "Liberals" zu vernehmen, sondern auch von konservativen Akteuren. Gerechter Krieg Außerordentlich instruktiv für das Verständnis transatlantischer Missverständnisse bleibt die schon etwas ältere Debatte, die unter www.americanvalues.org nachzulesen ist. Dieser Dialog zwischen amerikanischen und deutschen Intellektuellen bezog sich zwar nicht auf den Irak, sondern auf Afghanistan, die Kontroverse über den "gerechten Krieg" lässt sich aber auch als Paradigma für die aktuelle Irak-Diskussion lesen. Während die deutsche Seite den Amerikanern vorhält, sie beschwörten universale moralische Maßstäbe, die in Wahrheit aber nur für sie selbst gelten würden, erklingt von drüben her der Vorwurf, dass die deutschen Intellektuellen einen substanzlosen, unpolitischen und nicht praktikablen Idealismus an den Tag legten und an der Herausforderung scheitern, die Bedingungen zu definieren, unter denen Gewaltanwendung notwendig ist. Wer sich mit den Argumenten der "Falken" auseinander setzen möchte, der findet beispielsweise im Weekly Standard einen herausragenden publizistischen Vertreter. Leitschnur seiner Argumentation ist, dass nicht ein Angriff auf Saddam Hussein die eigentlich verwerfliche Haltung sei, sondern vielmehr, ihn gewähren zu lassen. (Christoph Winder/DER STANDARD, Printausgabe, 27.9.2002)