"Die Krisen der Demokratie" ist ein kleines, aber überaus feines Buch. In zehn Gesprächen mit Antonio Polito, dem Londoner La Repubblica-Korrespondenten, nimmt Ralf Dahrendorf, auf dem Klappentext zutreffend als "Sozialwissenschaftler, liberaler Politiker und zeitkritischer Intellektueller" beschrieben, zu den unübersehbaren Schwierigkeiten Stellung, in die die Demokratie geraten ist.Für Dahrendorf ist diese Krise engstens mit der Krise des Nationalstaates verknüpft, der nach Ansicht von James Madison, einem der US-Verfassungsväter, die ideale politische Einheit bildet, in der Demokratie praktikabel ist. Von zwei Seiten her wird dieser Nationalstaat bedroht: Da gibt es den Prozess der Globalisierung, in dem immer mehr Macht in die Hände demokratisch nicht legitimierter gewählter Akteure gerät - zum andern sieht Dahrendorf den optimalen Lebensraum der Demokratie aber auch durch den Egoismus substaatlicher Einheiten - Kommunen und Regionen - gefährdet, durch einen Prozess, für den Dahrendorf den hässlichen, aber aussagekräftigen Neologismus "Glokalisierung" geprägt hat. Dahrendorf analysiert solche Tendenzen in ebenso schnörkelloser Klarheit und subtiler Differenzierung wie die mühselige und seiner Meinung nach wenig Erfolg versprechende Herausbildung der politischen Union Europas, die janusköpfige Erscheinung des Populismus oder die Gefährdung der amerikanischen Demokratie durch die immer geringere Partizipation ihrer Bürger an den demokratischen Entscheidungsmechanismen. Für eilige Leser, die sich auf profunde Weise mit aktuellen und existenziellen Fragen der Demokratie auseinander setzen wollen, ist dieses Büchlein ein ideales Instrument. (Christoph Winder/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1. 10. 2002)