Die Wiener Gespräche zwischen UNO und Irak über die Rückkehr der Inspektoren finden auf einer Basis statt, an der gleichzeitig im UN-Sicherheitsrat heftig gerüttelt wird: die Resolution 1284, die nach dem Willen der USA von einer viel härteren abgelöst werden soll. 1284, die der Irak vor kurzem bedingungslos akzeptiert hat, was wiederum zu den Gesprächen in Wien führte, ist für die USA nichts weniger als tot.In ihr wurde im Dezember 1999 nicht nur die neue Abrüstungskommission Unmovic gegründet, sie sollte dem Irak auch neue Anreize schaffen, mit den Inspektoren der UNO zusammenzuarbeiten. Man muss es beim Namen nennen: In die damalige Resolution floss das schlechte Gewissen angesichts der klaren Verstöße gegen die UNO-Regeln durch die USA mit ein, die sich der früheren Abrüstungskommission Unscom für eigene politische Zwecke bedient hatten. Diese Resolution ist also das Gegenteil dessen, was sich die US-Regierung heute als Ausgangspunkt eines Vorgehens gegen den Irak vorstellt. In Washington wollen weder die Falken noch die Tauben, dass die Inspektoren wie gehabt im Irak herumziehen und tentativ an die Türen diverser verdächtiger Anlagen klopfen (die man in den vergangenen Jahren in aller Ruhe geleert hat). Der Weg soll nach Willen der USA umgekehrt sein: als Erstes das, was im UNO-Sprachgebrauch "FFCD" heißt - "full, final and complete disclosure", eine umfassende, endgültige und vollständige Offenlegung aller verbotenen Waffen, waffenfähigen Materialien und Waffenprogramme. An dieser vorgelegten FFCD soll die irakische Realität dann gemessen werden. Da die Beweislast, keine Massenvernichtungswaffen zu haben, wieder allein beim Irak liegt (und nicht umgekehrt die UNO dem Irak nachzuweisen versucht, dass er welche hat), ist ein Scheitern - und ein Anlass für einen militärischen Angriff - so viel wahrscheinlicher. (DER STANDARD, Printausgabe, 1.10.2002)