Bild nicht mehr verfügbar.

Brasilien wählt am Sonntag

foto: apa/dpa/schrader

Bild nicht mehr verfügbar.

Luis Inacio da Silva aka "Lula"

foto: reuters/whitaker
Brasilia - In Brasilien, dem von einer schweren Wirtschaftskrise geplagten fünftgrößten Land der Erde, bahnt sich eine politische Sensation an. Dem Kandidaten der oppositionellen Arbeiterpartei (PT), Luis Inacio da Silva, kurz Lula genannt, wird nach drei erfolglosen Anläufen 1989, 1994 und 1998 bei der Präsidentschaftswahl am kommenden Sonntag ein Sieg bereits in der ersten Runde zugetraut. Dazu benötigt der sozialistische Politiker die absolute Mehrheit, von der er jüngsten Wahlumfragen zufolge mit 43 bis 49 Prozent Zustimmung nicht weit entfernt ist. Der Wunschkandidat der Wirtschaft, Ex-Gesundheitsminister Jose Serra von der sozialdemokratischen Partei (PSDB) des scheidenden Präsidenten Fernando Henrique Cardoso, liegt in der Wählergunst mit 18 bis 21 Prozent weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz. Auf den Rängen drei und vier folgen der Linkspopulist Anthony Garotinho von der Sozialistischen Partei (PSB) mit rund 15 und der Mitte-Links-Mann Ciro Gomes von der Arbeitsfront (FT) mit 12 Prozent. Sollte am 27. Oktober eine Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten erforderlich sein, wäre den Umfragen zufolge Lula spätestens dann der Sieg sicher: Gut 55 Prozent werden ihm für diesen Fall vorausgesagt. Hatte Lulas Vorsprung in den Meinungsumfragen noch im Frühjahr zu ängstlichen Reaktionen auf den Finanzmärkten geführt, scheinen die herrschenden Kreise in Wirtschaft und Politik mittlerweile ihren Frieden mit ihm zu schließen und dem bevorstehenden Wahlsieg des einstigen "Bürgerschrecks" mit größerer Gelassenheit entgegenzusehen. Eher macht sich mittlerweile die brasilianische Linke Sorgen um Lulas politische Orientierung. Denn der Hoffnungsträger von Millionen Armen und landlosen Bauern ging Bündnisse mit konservativen Kräften ein, die ein Teil seiner Basis mit Bitterkeit registriert. So ernannte Lula den Unternehmer Jose Alencar, einen der reichsten Männer Brasiliens, zu seinem Kandidaten für die Vizepräsidentschaft. Alencar ist Vorsitzender der rechtsgerichteten Liberalen Partei (PL), die harte Sparmaßnahmen, Einschnitte im sozialen Bereich und evangelischen Fundamentalismus propagiert. Dem als eine Art Schulterschluss mit der Industrie gedachten Schachzug folgte die Annäherung an den früheren brasilianischen Staatschef Jose Sarney, einem typischen Vertreter des Establishments und altgedienten Kritiker der Arbeiterpartei. Lulas frühere Forderungen, wenigstens einen Teil der Auslandsschulden nicht zurückzuzahlen und einige Privatisierungen rückgängig zu machen, sind vom ihm schon lange nicht mehr zu hören. Und der Kandidat wurde nicht müde zu betonen, dass er den unlängst gewährten Rekordkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 30,4 Milliarden Dollar (31 Milliarden Euro) und die damit verknüpften Bedingungen - Liberalisierung, Abbau der Zollschranken, Einsparungen im Öffentlichen Dienst - als unvermeidlichen Ausweg aus den Turbulenzen der letzten Monate unterstützt. Die Nervosität der Finanzkreise wirkt da fast wie vorgeschoben. Für Unruhe sorgen die zahlreichen Krisenfaktoren in Brasilien selbst. Die Landeswährung Real fiel erst diese Woche auf ein neues Rekordtief und brach im Vergleich zum Jahresbeginn um fast 40 Prozent ein. Die Auslandsschuld in Höhe von 287 Milliarden US-Dollar (291,1 Milliarden Euro), die 55 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und ein Drittel der Schulden ganz Lateinamerikas beträgt, droht die brasilianische Wirtschaft in den Kollaps zu treiben. (APA)