Es ist schwer vorstellbar, dass etwa Heide Schmidt oder Hans-Peter Haselsteiner, die beiden großen Figuren des Liberalen Forums, eine Partei wählen würden, die von Reinhard Jesionek angeführt wird. Aber ausgerechnet dieser Reinhard Jesionek ist nun Spitzenkandidat der Liberalen. Der Mann ist bekannt, keine Frage. Immerhin war er einmal Moderator der Frühabendsendung "Willkommen Österreich".Das Liberale Forum war zu seiner Zeit ein wichtiges und notwendiges Projekt, das ganz wesentlich von den Personen, die es vertreten haben, getragen wurde. Die Kandidatur von Jesionek ist aber mehr ein Gag als eine ernsthafte Ansage. Der Mann vertritt den "Spaßfaktor". Das ist schön für ihn, aber kein Programm. Genauso gut hätte das LiF den Kinderbuchautor Thomas Brezina als Spitzenkandidat ins Rennen schicken können. Derzeit wird das LiF in Meinungsumfragen bei etwa einem Prozent angesiedelt. Jesionek & Co peilen acht Prozent an. Das mag der Profilierungssucht der Leute, die ihn aufgestellt haben, entsprechen. Viel eher ist aber anzunehmen, dass die Liberalen erneut an der Vier-Prozent-Hürde scheitern werden. Nicht trotz Jesionek, sondern mit Jesionek. Und das ist schade. Eine fünfte Partei im Parlament wäre spannend, die politische Konkurrenz würde belebt. Nachfrage wäre ebenfalls vorhanden: 57 Prozent der Österreicher wünschen sich mehr Auswahl als die derzeit vier Parlamentsparteien. Immerhin jeder zweite Wahlberechtigte unter 30 wünscht sich das LiF auf dem Stimmzettel. Das heißt noch nicht, dass er es auch wählen würde. Mit Jesionek sinken diese Chancen. Mehr Spaß in der Politik wäre zwar zweifellos eine Erleichterung, ein unpolitischer Spitzenkandidat, der auf den Spaßfaktor als Wahlprogramm setzt, wird die Nachfrage nach einer fünften Kraft aber nicht befriedigen. (DER STANDARD, Printausgabe, 5./6.10.2002)