Ramallah/Wien
- Palästinenserpräsident Yassir Arafat hat
am Sonntag vom Legislativrat
eine weitere Frist von einem
Monat bekommen, eine neue
Regierung zu präsentieren; die
vorige hatten die Parlamentarier ja in einer spektakulären
Aktion vor wenigen Wochen
durchfallen lassen. Die Frist
hat ihm Israels Armee mit ihrer - inzwischen beendeten -
Wiederbesetzung seines
Hauptquartiers in Ramallah
verschafft, die nebenbei auch
sein sinkendes Ansehen unter
den Palästinensern weit gehend repariert hat.
Das Parlament konnte am
Sonntag in einer Sondersitzung angesichts der aktuellen
Situation also nicht anders,
als Arafats Bitte einer Verschiebung zu entsprechen.
Und von den Plänen, Arafat
durch einen Premier - genannt wurde in diesem Zusammenhang Abu Mazen - zu
"entlasten", hört man auch
nichts mehr.
Da er im Grundgesetz nicht
vorgesehen ist, bedürfte eine
Einführung dieses Postens einiger Gesetzesänderungen.
Aber auch prinzipielle Befürworter einer Abschiebung
Arafats in einen eher symbolischen Präsidentenposten stehen diesen Veränderungen -
wie auch den für den Jänner
geplanten Wahlen - skeptisch
gegenüber: Sie sehen darin die
Gefahr einer stillschweigenden Verlängerung des Interimsstatus der Palästinensergebiete, der 1999 ablaufen
sollte, in eine unendliche Zukunft.
Eine neue Regierung brauchen die Palästinenser trotzdem: Der Legislativrat hatte
sich Anfang September daran
gestoßen, dass Arafat ihm 16
"alte Gesichter" - von Ministern, von denen einige als korrupt gelten - auch im neuen
Kabinett unterjubeln wollte,
garniert mit ein paar neuen
Namen (wie dem als Experten
respektierten Salem Fayyad
als Finanzminister).
Die Kritik an der Regierung
beschränkt sich aber nicht auf
mangelnde "good governance", wobei die von Arafat eingeleiteten Reformen
manchen Parlamentariern
gleichermaßen zu wenig weit
gingen und zu wenig transparent waren - etwa Umbesetzungen im Bereich der Sicherheitsdienst. Zumindest
bis zur Wiederbesetzung von
Arafats Amtssitz war unter
den Palästinensern eine kritische Debatte über das Verhalten der Regierung während
der Intifada im Gange: Ihre
Politik habe zur israelischen
Wiederbesetzung der Palästinensergebiete geführt, sie
müsse die Verantwortung tragen.
Eine weitere Forderung ist,
dass in Zukunft Personen, die
mit Israel verhandeln, nicht
gleichzeitig Kabinettsmitglieder sein dürften - die Beschäftigung mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt habe
es in der Vergangenheit manchen Ministern schlicht nicht
erlaubt, sich mit ihrem Ressort
überhaupt zu befassen.(Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 8.10.2002)