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Der Friede war trügerisch. Das "Modell Südtirol", so wurde mit dem Referendum um einen hässlichen Platz mitten in Bozen offenbar, ist nicht so erfolgreich, wie das in Wien, Rom und vor allem in Bozen gerne zum Besten gegeben wird. Seit der "Streitbeilegungserklärung" von Österreich und Italien 1992 detonieren in Südtirol zwar keine Bomben mehr, die ethnischen Konflikte aber sind nur notdürftig zugedeckt. Eine staatlich großzügig alimentierte Autonomie hat aus Südtirol "ein Land im Windschatten der Geschichte" (Die Zeit) gemacht. Es gibt kaum Wettbewerb (erst recht nicht um Ideen); die meisten Südtiroler haben es sich im fein temperierten Wohlstand bequem gemacht. Und sie lassen die über Generationen internalisierten ethnischen Spannungen subkutan brodeln - so lange, bis diese wegen angeblicher Gefahr für die italienische (oder deutsche) Identität wieder einmal ausbrechen. Dass es dabei in Bozen beinahe 60 Jahre nach dem Ende des Faschismus für die meisten Italiener immer noch um ihre "Italianità" geht und für viele Deutschen um selbstgefälligen Provinzialismus und einen in den 30er-Jahren zusammengeschusterten Deutschnationalismus, sagt viel über den intellektuellen Zustand der seltsam geschlossenen Südtiroler Gesellschaft. "Je besser wir trennen, desto besser leben wir zusammen" - das konnte ein führender SVP-Politiker noch in den Achtzigern unter Beifall sagen. Daran hat sich in der Sache auch in den vergangenen Jahren der "Entspannung" nichts geändert, die SVP hat den Italienern keine Angebote für eine gemeinsame Zukunft gemacht. Auf der anderen Seite wurden durch Bozen marschierende Schützen noch vor zehn Jahren von Faschisten verhöhnt und bespuckt. Auch das wäre heute noch möglich, viele Italiener begreifen die Autonomie mehr als Bedrohung denn als Chance. All das gibt wenig Anlass zu emphatischen Hoffnungen. Wirklichen Frieden gibt es in Südtirol noch lange nicht.(DER STANDARD, Printausgabe, 8.10.2002)